In Dresden ist entstanden, was Hamburg gern hätte: Ein Kulturspeicher, der bis zu 6000 Gemälde beherbergen kann, thront auf dem Albertinum.

Dresden. Dieses Mal ist alles gut gegangen am Elbufer, andere Flüsse haben andere Regionen Sachsens unter Wasser gesetzt. Doch ohne die Jahrhundertflut der Elbe im August 2002 wäre Dresden um einen sensationellen Museums-Umbau an der Brühlschen Terrasse ärmer. Nachdem damals die Depots der historischen Museen fast überflutet worden waren, beschlossen die kunstliebenden Dresdner, es nie wieder so weit kommen zu lassen. Noch einmal wollten sie nicht um ihre Meisterwerke bangen.

Die spektakulärste Folge dieser Entscheidung schwebt nun in 17 Meter Höhe über den Köpfen der vielen Touristen, die Tag für Tag in der Nachbarschaft der Frauenkirche staunend das ehemalige Zeughaus betreten, das 1583 eingeweiht und Ende des 19. Jahrhunderts endgültig zum Museum umgebaut wurde.

"Hochwassersicher" sollte die Lösung sein, die man sich zunächst mehr oder weniger ebenerdig gedacht hatte. Der Berliner Architekt Volker Staab, ein Spezialist für Museumsbauten, nahm die leise Ironie dieser Forderung sehr wörtlich. Sein Entwurf, mit dem er 2004 den Wettbewerb für sich entschied, überdachte den früheren zugerümpelten und nutzlosen Innenhof mit einem zweistöckigen, 76 Meter langen Depot mit 3300 Quadratmetern Nutzfläche.

Ein Himmel voller Kunst, sichtbar und doch den neugierigen Blicken entzogen. Höher und sicherer geht es kaum, Eleganz und Understatement betonen die räumliche Wirkung.

Mit 2700 Tonnen Gewicht ist diese Brückenkonstruktion zwischen den umlaufenden Satteldächern etwa so schwer wie die 1893 fertiggestellte Elbbrücke "Blaues Wunder".

Auf der unteren Etage ist Platz genug für 6000 Bilder aus den Dresdner Gemäldegalerien, auf der oberen beziehen in wenigen Wochen Restauratoren maßgeschneiderte Werkstätten. Das Ganze ruht auf drei Säulen, die tragenden Teile sind - inklusive Lastenlift - unsichtbar hinter den historischen Fassaden verborgen und ruhen auf 23 Meter tiefen Fundamenten.

An den Längsseiten verlaufen breite Fugen, durch die sanft gefiltertes Tageslicht fällt. Man wird an die weltberühmte Halle des Tate Modern in London erinnert, auch an David Chipperfields Treppenhalle im Neuen Museum der Berliner Museumsinsel. Diese Herzkammer des Museums wirkt wie ein Versprechen auf die Meisterwerke hinter den Mauern, die sie umgeben. Aus diesem Foyer eröffnen sich die Wege durch die verschiedenen Ausstellungstrakte.

Ein Glücksfall, der den Umbau des Albertinums anfangs entschieden vorantrieb, war eine große Benefizauktion, bei der Werke von knapp 50 Künstlern - von Daniel Richter bis Gerhard Richter - versteigert wurden, die 3,4 Millionen Euro brachten. Die Kosten für den gesamten Umbau: rund 51 Millionen Euro, nachdem man zunächst für einen weniger konsequenten Teilumbau zwölf Millionen veranschlagt hatte. Aber: Wenn schon, denn schon.

Seit einigen Wochen ist das Albertinum mit seinen insgesamt 13 500 Quadratmetern Nutzfläche in Betrieb. Die größte deutsche Rodin-Sammlung ist dort zu sehen, Degas' berühmte Balletttänzerin und eine beachtliche Auswahl an Caspar David Friedrichs, darunter auch der "Tetschener Altar". Prall gefüllte Skulpturenvitrinen, drei Räume für die drei großen Sachsen A.R. Penck, Georg Baselitz und Gerhard Richter, der Klingersaal mit seiner Fin-de-Siècle-Kunst. Reichlich Platz für Meisterwerke aus der Skulpturensammlung und der Galerie Neuer Meister, Kunst aus der DDR und Zeitgenössisches. Stoff genug für stundenlange Besuche.

Aus Hamburger Perspektive betrachtet, gleicht das Albertinum in seiner neuen, alten Pracht einem wahr gewordenen Traum. Auch hier wünschen sich viele schon seit Langem eine zentrale Institution, einen "Kulturspeicher", in der unter Platznot leidende Bestände der sieben großen Museemsstiftungen endlich ordentlich gelagert und gepflegt werden können. Von 28 000 bis 40 000 Quadratmeter Fläche war sehr spekulativ die Rede. Man konnte sich sowohl einen Neubau vorstellen als auch die Nutzung eines vorhandenen Gebäudes nach entsprechendem Umbau, hieß es in regelmäßigen Abständen. "Es geht darum, Werte zu bewahren und für die Zukunft zu sichern", erklärte Karin von Welck vor drei Jahren. Viel mehr als diese vagen Visionen gab es seitdem aber nicht.

Noch illusorischer wird es, blickt man von Hamburg aus nach Basel. Dort, in ihrer Heimatstadt, haben die Elbphilharmonie-Architekten Herzog & de Meuron das Schaulager gebaut, eine Mischung aus Museum und Lager, einen bunkerartigen Kubus, in dem seit 2003 auf drei Etagen mit knapp 8000 Quadratmetern zeitgenössische Kunst unter Idealzuständen gelagert wird, darunter auch Installationen wie die vom Künstler-Duo Fischli/Weiss, die eigens für diese Räumlichkeiten angefertigt wurden. In den unteren zwei Stockwerken finden hochkarätige, durchreisende Wechselausstellungen statt. Eigentümer der vielen Schätze des Bestands ist die Stiftung einer Basler Pharma-Dynastie. Geld ist hier kein Thema, über das man ernsthaft reden müsste. Das hat man.

Karin von Welck, die in wenigen Tagen ihren angekündigten Rücktritt vollzieht, hatte in letzter Zeit zwar ständig über Geld, das fehlte, zu sprechen. Aber schon seit Langem kein Wort mehr über die Idee eines zentralen Kulturspeichers für die großen Hamburger Museen verloren.

Zuletzt stand ihr bekanntlich das sprichwörtliche Wasser dank der Probleme anderer Kultur-Großbaustellen bis zum Hals. Den hiesigen Museen bleibt dieser unschöne Zustand - auch ohne Elb-Hochwasser - wohl noch einige Zeit erhalten. Auch von Welcks Nachfolger im Amt - wenn ein solcher denn berufen werden sollte - wird mit der Etat-Ebbe im Rathaus zu kämpfen haben.