Der Hamburger Sascha Lino Lemke erhält heute den renommierten Paul-Hindemith-Preis. Bei der Verleihung sind drei Werke von ihm zu erleben.

Hamburg. Sascha ist klar. Lemke auch. Aber Lino? Wie in Sascha Lino Lemke? Ein ziemlich ungewöhnlicher Name. "Das hat einen ganz handfesten Bezug", sagt der so Benannte, "meine Eltern sind Fans des italienischen Schauspielers Lino Ventura!" Ausgerechnet Ventura. Eine ulkige Vorstellung - denn der 33-jährige Hamburger Lemke ist das genaue Gegenteil zu diesem kantigen Catchertypen, der oft fiese Gangster oder harte Bullen gespielt hat. Offener Blick, freundliches Lächeln, keine auffälligen Macken. Der nette Komponist von nebenan.

Nein, ein Blender und gewiefter Self-Promoter ist er sicher nicht. "Ich bin nicht der, der gezielt Leute anspricht und für sich Werbung macht. Dazu bin ich nicht skrupellos genug - oder auch einfach zu dumm, je nachdem, aus welcher Perspektive man das betrachtet."

Lemke macht keine Show, sondern konzentriert sich lieber auf die Arbeit: den Musiktheorieunterricht an den Hochschulen in Hamburg und Lübeck und natürlich seine Kompositionen. Die Werkliste auf seiner Homepage umfasst über 60 Stücke, von "Licht und Schatten" für Altblockflöte von 1994 bis zum 2007 entstandenen "Netze spinnen # Spinnennetze" für fünf Laptopmusiker und einen Videoperformer. "Elektronische Musik hat mich schon seit Anfang des Studiums gereizt. Später war ich dann ein Jahr am Pariser IRCAM, dem Forschungsinstitut für Akustik und Musik. Da hatte ich luxuriöse Bedingungen und konnte 24 Stunden am Tag herumexperimentieren."

Neben der Beschäftigung mit elektronischen Klangdimensionen interessiert sich Lemke unter anderem für die Möglichkeiten mikrotonaler Musik. Und viele seiner Werke lauschen auch ins geräuschhafte Innenleben der Instrumente hinein - wie etwa "... and even further conversations with myself ..." für Baritonsaxofon und Computer, dessen Charakter vom Klappern der Klappen und vom Rauschen der Luft mitgeprägt wird. In solchen Momenten zeigt sich eine Verwandtschaft mit der von Lemke geschätzten Barockmusik: "Es gibt dort ein starkes Bedürfnis nach Artikulation, und das ist schon etwas, was man auch bei mir wieder findet, diese Idee, dass Musik etwas Gestisches hat."

Lemkes Werke haben trotz ihrer Finessen eine - manchmal mit Hörspielelementen angereicherte - Griffigkeit, die einen unmittelbar anspricht und das Ohr sensibilisiert: "Ich finde, dass Musik die Wahrnehmung schärfen sollte, und halte das Zuhören im Konzertsaal - so altertümlich viele Rituale da sein mögen - für ganz wichtig." Dazu gibt's heute Abend in Reinbek eine Gelegenheit: Bei der Verleihung des mit 20.000 Euro dotierten Paul-Hindemith-Preises an Lemke im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals sind drei Werke von ihm zu erleben.

Die renommierte Auszeichnung ist für ihn eine riesige Freude und wurde am Wochenende mit intensiven Proben vorbereitet. Danach hat der gebürtige Hamburger vielleicht wieder etwas mehr Zeit für seine Frau und die zwei kleinen Kinder: Er genießt das Familienleben zum Beispiel gern bei Radtouren an der Wandse im Osten Hamburgs. Da hat schon sein Vorgänger Georg Philipp Telemann regelmäßig Erholung gesucht. Für Lino Ventura wäre das wahrscheinlich nichts gewesen.

Abendblatt-Beilage mit SHMF-Programm zum Bättern und Herunterladen: