Kulturarbeiter außerhalb des Rampenlichts: Heute stellen wir TV-Produzentin Kerstin Ramcke vor, die zwischen Kreativen und Redaktion vermittelt.

Hamburg. Produzent ist ein Beruf der Zwischentöne. Der vielen kleinen Schritte. Oft mehr Bauchgefühl als richtige oder falsche Entscheidungen. Richtig oder falsch - das gibt es immer erst im Nachhinein, wenn die Filme, Serien, Telenovelas gelaufen sind und alle schlauer. Das Gemeine: Nach der Ausstrahlung geht es wieder von vorne los, mit allen Unwägbarkeiten, Unsicherheiten, Publikumsmissverständnissen. Das weiß auch Kerstin Ramcke, die seit 17 Jahren bei Studio Hamburg Produktion tätig ist, seit 2001 als Produzentin, seit 2008 zusätzlich als Mit-Geschäftsführerin. Darin besteht ihr Berufsrisiko: Es gibt keine Sicherheiten; nichts, das zuverlässig immer funktioniert auf dem Bildschirm. Nichtsdestotrotz arbeitet Ramcke erfolgreich, erfolgreicher als manch anderer in der Branche - und mit Glück hat das nur am Rande zu tun.

Vielmehr mit einem Begriff, der zwar abgedroschen klingen mag, aber im Gespräch über den Beruf sehr bald fällt: Herzblut. Leidenschaft für die Sache. Wer an einen Stoff selbst nicht glaubt, kann ihn nicht verkaufen. Darin besteht eine von Ramckes Hauptaufgaben: das Auftun von guten (na gut: auch populären) Drehbüchern und Formatideen, die sie dann bei den Sendern unterzubringen versucht. Klingt nicht kompliziert, ist aber ein Geschäft, das in Zeiten von Marktverengung, Sparpolitik und Konkurrenzdruck nicht einfacher geworden ist. Ein "optimales Paket anzubieten", die "richtigen Teams aufzustellen", darin bestehe die Kunst ihres Jobs, sagt Ramcke. Meint: Regisseur, Schauspieler, Drehbuch, Sendeplatz - das alles muss eine unwiderstehliche Einheit ergeben. Dafür ist Kerstin Ramcke verantwortlich.

Ein guter Produzent muss vor allem reden können. Menschen überzeugen, Menschen motivieren, Menschen beschwichtigen. Er muss viele Sprachen sprechen, den diplomatischen Ton ebenso beherrschen wie den entschiedenen Auftritt. Auf die Intellektuellen und die Intuitiven eingehen. "Ich finde es wichtig, dass man als Produzent eine eigene Haltung hat zu einem Projekt, die man auch einbringt - was nicht heißt, dass man immer recht haben muss", sagt Ramcke. Genauso wichtig wie das Reden ist das Zuhören - auch wenn das in einer Höher-Schneller-Weiter-Branche wie dem Fernsehmarkt gern vergessen wird. Wünsche und Ideen "auch zwischen den Zeilen aufnehmen und verstehen können", nennt es Ramcke.

Wem das zu theoretisch ist, der kann den Praxistest machen: Im Drehbuchgespräch mit einer Autorin zeigt sich, wie Ramcke arbeitet. Sie muss sich nicht warm reden, sondern ist gleich voll da. Beginnt mit einem aufrichtigen Lob ("sehr emotionale Geschichte"), trägt Kritik mit Nachdruck vor ("da zieht es einem ja die Schuhe aus") - aber verpackt sie in ein warmes Lachen. Sie nimmt ihr Gegenüber ernst und den Gegenstand ebenso. Dabei geht es um eine Geschichte, die man auch einfach als Kitsch abtun könnte. Eine Geschichte, die ein großer Sender am Nachmittag auf den Bildschirm bringen soll, Dornröschensituation, Schwangerschaft und osteuropäische Mädchen(händler) inklusive. Sich aus professioneller Distanz lustig zu machen, ist natürlich einfach. Schwer ist es, das Publikum und seine Wünsche zu kennen. Kerstin Ramcke glaubt an Erzählverabredungen mit dem Zuschauer.

Die 47-Jährige wirkt fast ein bisschen zu aufgeräumt für ihre Branche. Das klare, fast ungeschminkte Gesicht wird eingerahmt von glattem, blonden Haar, sie trägt Bluse zur schlichten Anzughose. Sie wirkt wie eine Frau, der man zutraut, die Übersicht zu behalten, wenn ringsherum alles auf der Kippe steht. "Wenn ein Projekt gut läuft, hört man meistens wenig. Aber wenn es klemmt, steht man bereit und springt rein", sagt Ramcke.

Sie ist eine leise Frau in einer lärmenden Branche. Kein Duckmäuschen, aber eine, die nicht zwei Handys gleichzeitig am Ohr braucht, um Geschäftigkeit zu demonstrieren. Die auf Großveranstaltungen freundlich nickt und grüßt, aber nicht an jeden Umstehenden Küsschen verteilt oder ihm vornamenkreischend um den Hals fällt: "Duhu, wir müssen unbedingt mal was zusammen machen." Mit vielen Leuten macht sie dann aber doch eine ganze Menge.

Mit Margarethe von Trotta das Kinodrama "Rosenstraße" etwa. Dutzende "Tatort"-Krimis mit den besten deutschen Krimiregisseuren. Ein aktuelles Projekt, das sie als Ko-Produzentin betreut, ist die Verfilmung des Bestsellers "Nachtzug nach Lissabon" nach einem Roman von Pascal Mercier unter der Regie von Bille August. Das Budget: Siebeneinhalb Millionen. Bei jedem Filmprojekt geht es immer auch um eine große Summe Geld und viele Jahre Arbeitszeit. Es ist kein Spielplatz für Kreative, aber ohne einen spielerischen Ton, ohne Spaß an der Sache kann man keine Unterhaltung produzieren. Für diesen Beruf braucht es, sagt Ramcke: "Spontaneität, Hartnäckigkeit und eine Liebe zu Geschichten und Menschen."

Produzenten sind bei alldem die Schnittstelle, der Puffer zwischen den Kreativen, die ihren künstlerischen Kopf durchsetzen wollen und an jeder Dialogzeile hängen wie die Mutter am Neugeborenen. Und auf der anderen Seite den Auftraggebern, den Redakteuren, die gern mal alles so wollen, wie es anderswo schon erfolgreich war. Einen gemeinsamen Weg zu finden, auf dem letztlich alle an einem Strang ziehen, das ist das Ziel. Kerstin Ramckes Ziel.

Beim Handel mit Bildern und Emotionen muss es jemanden geben, der einen kühlen Kopf behält. Man kann sich sehr gut vorstellen, dass Kerstin Ramcke dieser Mensch ist.