Jean-Pierre Jeunets “Micmacs - Uns gehört Paris“ verliert sich in Sozialromantik

Jeder erinnert sich an Amélie. An das fabelhafte Mädchen, das 2001 in Jean-Pierre Jeunets Zuckerwatten-Paris ihre Nachbarn verzauberte - und auch Millionen Zuschauer. Amélie-Touristen überrannten den Montmartre, Audrey Tautou wurde zum Star.

Ihr männliches Pendant hat Jeunet jetzt mit Bazil (Dany Boon) erfunden. Einem Einfaltspinsel, der erst eine Kugel in den Kopf bekommt, dann seinen Job verliert und schließlich bei einer Handvoll Außenseitern landet, die auf einem Schrottplatz am Rande der Stadt ein ganz famoses Dasein führen. Das Leben im Müll kann so schön sein - zumindest bei Jeunet und seinen "Micmacs". Zwischen Schrottteilen und unter dem funzelig-romantischen Licht alter Lampen versammelt er eine skurrile Truppe auf Zirkusniveau. Sie werden eine große Rolle im Rachefeldzug der Außenseiter gegen zwei Waffenhändler spielen, die nicht nur die Kugel hergestellt haben, die jetzt in Bazils Kopf steckt, sondern auch die Landmine, die seinen Vater das Leben kostete und seine Mutter den Verstand.

Ganz schwindelig vor lieblicher Fantasie soll einem bei Jeunets in Sonnengelb und Blau getauchtem Paris werden, bei seiner Verbeugung vor Chaplin, vor Buster Keaton und Tati. Dennoch ist das 42 Millionen Dollar Spektakel eher Masche als Ode an die Fantasie, verliert sich in Sozialromantik, in einer komatösen Story und im verkünstelten Detail.

Wie lange kann man es ertragen, Erwachsenen zuzuschauen, die sich wie Kinder benehmen, mit kaputten Regenschirmen, ausrangierten Staubsaugern und defekten Weckern spielen? Man kriegt, was man sieht - ohne Tiefgang, ohne doppelten Boden und einem Ansatz von Psychologie. Übrig bleibt ein abgestandenes Gefühl.

++--- Micmacs - Uns gehört Paris! Frkr. 2009, 105 Min., ab 12 Jahren, R: Jean-Pierre Jeunet, D: Dany Boon, Julie Ferrier, täglich im Abaton, Holi, Koralle-Kino, Zeise; www.micmacs.kinowelt.de