Die Hamburger Sammlungen von Harald Falckenberg und Udo Lindenberg eint ein Schicksal: Beide leiden am Zögern der Stadt.

Hamburg. Formal hat Hamburg noch bis zum 25. August eine Kultursenatorin. Zu den offenen Fragen in ihren problemprallen Hinterlassenschaften gehören Zukunftsperspektiven für zwei Kunstsammlungen, die - jede auf ihre Art - das Profil der Kulturstadt Hamburgs bereichern würden. Vorausgesetzt, man stellt endlich die Weichen, um sie zu halten und angemessen zu präsentieren. Es geht um die Sammlung von Harald Falckenberg, ein Musterbeispiel für die Bandbreite zeitgenössischer Kunst und in den Harburger Phoenix-Hallen beheimatet, und die "Panik-Zentrale" von Udo Lindenberg , für die es nach wie vor keine offizielle Bleibe an der Elbe gibt. Beide eint das gleiche ungewisse Schicksal.

Falckenberg verhandelt seit Jahren mit der Stadt darüber, seine Sammlung als langfristige Leihgabe an die Deichtorhallen anzugliedern. Doch dafür müsste deren Etat deutlich aufgestockt werden. Konkrete Anzeichen dafür gibt es nicht. Zur Aussage der Kulturbehörde, die Senatorin hoffe sehr auf eine Entscheidung und Genaueres dazu gebe es hoffentlich in der zweiten Augusthälfte (terminnah zum Abschied also), sagte Falckenberg: "Das ist kein ganz neuer Stand, ich habe in der Politik schon so viel erlebt, dass ich das jetzt zur Kenntnis nehme. Die Senatorin sieht offenbar gute Chancen, das Thema noch im Vorschlag des Senats für den Haushalt unterzubringen."

Dass Falckenberg gerade einen Teil seiner Sammlung in der Potsdamer Villa Schöningen gezeigt hat, ist für ihn kein Umzugs-Omen Richtung Berlin . "Da will ich überhaupt nichts aufkommen lassen. Ich möchte in Hamburg bleiben." Womit der Schwarze Peter wieder in der Kulturbehörde landet.

Die Sammlung des Musikers Lindenberg hat einen deutlich anderen Schwerpunkt, leidet aber unter der Misere, die schon Generationen vor diesem Musiker kannten. Denn in Hamburg kann man ein langes Klagelied darüber anstimmen, wie virtuos in Fettnäpfe getreten wird, wenn es um die Pflege jener Künstler geht, die hier geboren wurden oder groß geworden sind.

Seit Jahrhunderten wurden sie oft weder gebührend bezahlt noch genügend gewürdigt. Früher oder später war Hamburg für sie bloß das, was die Kaufmannsstadt so gern von sich zu sein behauptet: das Tor zur Welt. Die Liste der Gefrusteten reicht vom Barock bis zum Rock, ist aber um Literaten, Schauspieler oder Maler wie gerade Daniel Richter in jede Kunst-Sparte erweiterbar. Auch der Westfale Udo Lindenberg, seit gut vier Jahrzehnten ganz ohne Goldknöpfe gefühlter Hanseat, hat (wie sein früherer WG-Mitbewohner und Neu-Berliner Marius Müller-Westernhagen) die offiziellen Faxen dicke und sagte das jüngst. Was allen Verantwortlichen zu denken geben sollte. Falls uns Udo im Hotel Atlantic auscheckt, weil Hamburg für ihn keine "Rock-City" mehr ist und "Millionen in die Elbphilharmonie ballert", war's das wohl auch für seine Panik-Zentrale, die er sich auch schon mal in Berlin vorstellen konnte. Es geht um ein schillerndes Vermächtnis, um ein einmaliges Erbgut deutscher Populärkultur.

Geplant war ein Udoleum mit Souvenirs aus 40 Jahren kunterbunter Karriere, natürlich sollten dort auch seine vielen "Likörelle" eine Bleibe finden. Alles andere als eine Schnapsidee: eine Bühne, auf der Nachwuchs zeigen kann, was in ihm steckt, garantiert mit Feier-Raum fürs After-Show-Nachglühen.

Ein Touristenmagnet inklusive Kreativitäts-Brutkasten wäre das, nachhaltig nennt man solche Adressen heutzutage gern. Die selbst ernannte Musikstadt Hamburg könnte froh sein, auch so etwas in ihren Stadtgrenzen zu haben. Hamburg könnte und sollte sich das Lindenberg-Museum allen sonstigen Sparzwängen zum Trotz leisten, weil es sicher mehr bringt, als es kostet. Die Stadt müsste es aber auch im angemessenen Rahmen mitfinanzieren wollen, ohne gleich reflexartig an die nächste Bilanz zu denken.

Die kurz vor dem Welck-Rücktritt noch verkündeten Fördermittel für kleine Plattenlabel zeigten ja, dass einiges geht, wenn man nur will. Das war zwar vor allem ein letzter Tropfen auf einen längst überhitzten Stein, aber auch ein weiterer Anfang. Es geht eben nicht um Rendite, sondern um ein Arbeits- und Lebensklima, um das Gefühl, dauerhaft erwünscht zu sein, ertragen und geliebt zu werden, mit allen Widersprüchen, mit allen Ecken und Kanten. Künstler sind so, Kunst ist so. Das kostet, manchmal nur Geld, manchmal auch noch Nerven. Aber es bringt einen weiter. Nur hinterm erweiterten Horizont geht's weiter. Berlin ist arm, aber sexy; München leuchtet; Hamburg ist ...? Das Tor zur Welt? Schönen Dank und schönes Leben noch, wo auch immer? Das kann's nicht sein. So lebt, verändert und reift man nicht mehr, dann ist man bald nur noch konfektioniert und profilfrei.

Erste Anlaufstelle für Auskünfte zu Museen aller Art: die Kulturbehörde, wo der Begriff "Museum" zuletzt ein Reizwort erster Klasse war. Der Streit um vermeintlich gefährliche Brandschutzklappen in der Galerie der Gegenwart hat viel verbrannte Erde hinterlassen. Kein Wunder, dass man sich trotz der aktuellen Begleitumstände nur mit Unverbindlichkeiten zitiert wissen mochte: "Wir kennen die Pläne von Udo Lindenberg und würden uns freuen, wenn wir seine Idee gemeinsam umsetzen könnten. Wie im Einzelnen, darüber sind wir gerade im Gespräch miteinander. Fest steht aber: Wir fänden es sehr schön, wenn er seine Panik-Zentrale hier eröffnen würde - denn Udo Lindenberg gehört einfach nach Hamburg." Na dann. Zweite Anlaufstelle war die Hamburg Marketing GmbH. Dort kennt man die Konzepte nicht und kann sich deswegen auch nicht äußern.

In der Gerüchteküche brodelt es unterdessen panisch vor sich hin. Was, wie groß, wo, wie teuer, wann - das sind die Fragen, zu denen man gern Konkretes wüsste. Nachdem es hieß, die Panik-Zentrale würde mitsamt einem Hotel im HafenCity-Osten anlegen, ist nun wieder die Speicherstadt im Gespräch. Ein historisches Areal, richtig für eine historische Chance. Erst recht, da die Deichtorhallen als mögliche übergeordnete Heimat der Sammlung Falckenberg - die laut "Artnews" zu den 200 weltweit besten Kollektionen zählt - nur einige Steinwürfe entfernt sind und beides Teile der seit Jahren halluzinierten Museumsmeile sein könnte, die bislang (mitsamt Vermarktungspotenzial) nur ein weiteres Kulturbehörden-Luftschloss war. So deutlich muss man das der Stadt wohl erklären: Zeiten großer Umbrüche sind Zeiten großer Chancen.