Das Kaltstart-Festival ist in vier Jahren zur Flotte gewachsen und somit die größte Theaternachwuchs-Plattform im deutschsprachigen Raum.

Hamburg. Es zeugt schon von erstaunlicher Zugkraft, wenn ein einzelnes Schiff in See sticht und innerhalb von vier Jahren eine ganze Flotte hinter sich versammelt. Als das Kaltstart-Festival als Forum für den Theaternachwuchs 2006 die Leinen löste und sich mutig auf die offene kulturelle See hinauswagte, klang die Mission noch größenwahnsinnig. Falk Hocquél, als Gründer quasi der Kapitän des Vorhabens, hatte sich die Vision ins Herz tätowiert, ein Festival so renommiert wie das in Avignon im Hamburger Sommer zu verankern. Zwar ist das Ziel noch nicht gänzlich erreicht, aber dafür schippert Hocquél diesmal im großen Verbund.

Für 100 Vorstellungen haben rund 1000 Künstler in zwei Wochen an 25 Orten angeheuert. Heimathafen ist nach wie vor das Schanzenviertel, wo das Programm vom 12. bis 25. Juli im und um das Kulturhaus 73 über die Bühne geht. Doch auch diverse Klubs, der Schanzenstrand Central Parc, Park Fiction an der Elbe sowie der Golden Pudel Club und sogar ein Taxi werden als Spielstätten angesteuert.

Direkt vier Festivals fahren 2010 unter der Kaltstart-Flagge. Eine Flotte, die zur größten Theaternachwuchs-Plattform im deutschsprachigen Raum herangewachsen ist. 2009 stieß das Finale der Hamburger Theaterakademie als Dreimaster zum Kaltstart-Dampfer hinzu, zudem als Piratenschiff das neue Fringe-Festival. Für die nun fünfte Ausgabe hat sich noch das YoungStarFest als kleine Jolle angeschlossen. So zumindest zeigt es das Festival-Plakat, das die Boote auf einer stilisierten Seekarte vereint. Und über all dem schwimmt wie schwerelos eine sinnlich lockende Nixe als Muse für die schönen wie verrückten Künste.

Thimo Plath kuratiert das Programm des Hauptdampfers "Kaltstart pro" und präsentiert den professionellen Nachwuchs aus den Stadttheatern des deutschsprachigen Raums zwischen Berlin und Wien. "Es ist unser Hauptziel, eine Plattform und ein Netzwerk für die Berufsanfänger in den ersten Jahren zu schaffen", sagte der Bühnenbildner. "Denn für sie ist es nicht leicht, sich in der Hierarchie der großen Theater durchzusetzen und zu halten."

Das Fringe-Festival hingegen pocht auf einen künstlerischen Freibeuterstatus und ist nicht kuratiert. Es soll dem Nachwuchs aus der freien Szene als Forum und Fachmesse dienen, wie Christian Psioda ausführte. Es geht darum, unvoreingenommen freie Komplizenschaften zu bilden und Wahrnehmung zu schaffen für Kunst- und Produktionsformate am Rand. Fringe zeigt unter dem Motto "Klarmachen zum Entern" 30 Performances und 13 Open-Air-Veranstaltungen.

Das Schulschiff Finale-Festival der Hamburger Theaterakademie bleibt diesmal in eigenen Gewässern und bespielt die Räume in den Zeisehallen, da das letztes Jahr genutzte Thalia in der Gaußstraße umgebaut wird. Akademie-Direktor Michael Börgerding übergab das Ruder, also Auswahl und Organisation, studentischen Gruppen. Gezeigt werden neben Diplominszenierungen von Regieabsolventen auch Arbeiten aus dem zweiten und dritten Studienjahr, sowie Aufführungen von Studierenden der Musiktheaterregie.

Das YoungStarFest schließlich hatte im vorigen Jahr auf Kampnagel Premiere und präsentiert jetzt am letzten Festival-Sonntag im Park Fiction auf St. Pauli von 15 bis 21 Uhr einen Mix aus Tanz und Musik mit Jugendlichen für Jugendliche.

Neu im Programm ist die zweitägige Autoren-Lounge am 16. und 17. Juli im Terrace Hill - als außer der Reihe fahrendes Tretboot mit Sonnenschirmchen eher der flotte Freizeittörn des Festivals. Junge, zum Teil bereits bekannte Dramatiker wie Johan Heß, Dirk Laucke, Darja Stocker oder Ulrike Syha bieten mit originellen Präsentationsideen 15 Minuten lang Proben aus neuen Stücken.

Erstmals werden auch an zwei Abenden ausländische Gastspiele zu sehen sein. Sie kommen diesmal aus Prag zur 20-jährigen Partnerschaft mit Hamburg. Ebenfalls neu ist eine Festival-Zeitung: Journalistik-Studenten aus Hildesheim informieren und kommentieren das Festival.

Hocquél erhielt diesmal auch finanziellen Rückenwind. "Die einzelnen Festivals werden nicht subventioniert, sie arbeiten eigenständig", betonte er. "Aber für die Dachorganisation erhielten wir von der Kulturbehörde 20 000 Euro." Die Künstler können nun in Hotels untergebracht werden, müssen nicht mehr wie in den früheren Jahren privat auf Isomatten nächtigen. Eine Heuer bekommen sie allerdings nicht, da sie größtenteils unter Vertrag bei Stadttheatern stehen, die auch Transport und Technik übernehmen. Hocquél nimmt unbeirrt Kurs auf seinen Avignon-Traum und möchte das Kaltstart noch weiter ausbauen. Schließlich bietet die Festival-Flotte Planken, die die Welt bedeuten.