Die Choreografin Angela Guerreiro über ihr Festival Dance Kiosk und die Schwierigkeit, zeitgenössischen Tanz zu etablieren.

Hamburg. Man muss eine Kämpferin sein, wenn man es schafft, in Hamburg ein Festival für zeitgenössischen Tanz zu etablieren. Der Portugiesin Angela Guerreiro ist das gelungen. Und ihrer dunklen, manchmal sogar lauten Stimme hört man es an: Diese Frau weiß, wofür sie kämpft. Und wird nicht aufgeben.

Hamburger Abendblatt: Frau Guerreiro, am heutigen Mittwoch beginnt im Sprechwerk der Dance Kiosk, zeitgleich laufen Neumeiers Ballett-Tage und die Fußball-EM. Haben Sie das gewusst, als Sie das Festival geplant haben?

Angela Guerreiro: Ja, und ach: Ich glaube nicht, dass mich das viele Zuschauer kostet. Die Eröffnung heute Abend habe ich extra so gelegt, dass man rechtzeitig zum Halbfinale zu Hause oder beim Public Viewing ist. Viele der eingeladenen Tänzer sind ja große Fußballfans. Und einige Zuschauer natürlich auch. Man kann auch nicht einfach alles schließen wegen Fußball. Hamburg ist eine große Stadt, und man sollte von allem etwas anbieten.

Wie erklären Sie Menschen, die noch nie zeitgenössischen Tanz gesehen haben, was sie beim Dance Kiosk erwartet?

Guerreiro: Zeitgenössischer Tanz ist Kunst im Hier und Jetzt, eine ständige Auseinandersetzung mit der Realität. Man diskutiert derzeit viel über Europa, der Dance Kiosk steht deshalb 2012 unter dem Motto "Cultural Bodies - Geografie und Gesellschaft". Ich möchte wissen, ob es einen europäischen Körper gibt.

Dafür haben Sie Tänzer aus Deutschland eingeladen, aber auch aus Marokko, Russland, Polen, Dänemark ...

Guerreiro: Ja, und für die Tänzer ist das auch immer wieder eine Chance, über die Lebens- und Arbeitsbedingungen in ihrer Heimat zu sprechen. Weil ihre Kunst nicht in allen Ländern gleichermaßen anerkannt ist, manche haben große Probleme, was man vor allem daran merkt, dass es schwer für sie ist, ein Visum zu bekommen.

Wo gibt es die größten Probleme?

Guerreiro: In Russland sind sie groß. Ich weiß auch nicht, warum, vermutlich aber hängt es mit der politischen Situation zusammen.

Können Sie den eingeladenen Künstlern denn die Reise bezahlen?

Guerreiro: Von meinen 25.000 Euro Festivalbudget? Auf gar keinen Fall. Nein, ich muss viel bei Stiftungen und anderen Einrichtungen wie Botschaften fragen, ob man mich unterstützt, und meistens bekomme ich das auch hin. Aber es kostet natürlich eine Menge Zeit und Kraft.

Ist Hamburg ein gutes Pflaster für zeitgenössischen Tanz?

Guerreiro: Ja und nein. Ich finde, Hamburg ist eine sehr komplizierte Stadt für contemporary dance. Seit 16 Jahren wohne ich jetzt hier, und noch immer etabliert sich die freie Szene. Jeder kennt ja diese Vergleiche mit Berlin ... Wenn man in Berlin in eine Performance geht, dann ist es voll. In Hamburg muss man immer kämpfen. Deshalb fließt mein Geld für das Festival auch fast ganz in Promotion, Poster hier und Poster da. Aber nie ist eine Veranstaltung ausverkauft. Natürlich, die Situation hat sich enorm gebessert, es gibt das K3, das Zentrum für Choreografie in Hamburg, und so langsam entsteht eine Szene. An Tänzern mangelt es nicht, eher an Zuschauern, die bereit sind, sich auf diese Kunstform einzulassen. Das ist ja nicht immer einfach.

Und reicht Ihre Geduld?

Guerreiro: Seit ich zehn Jahre alt bin, möchte ich nichts anderes sein als Tänzerin und Choreografin.

Ja, aber das geht ja auch in Berlin.

Guerreiro: Nein, ich liebe Hamburg. Sonst hätte ich wahrscheinlich auch schon aufgegeben.

Dance Kiosk - Eine Plattform für den zeitgenössischen Tanz in Hamburg 27.6.-7.7., Eröffnung Mi 17.00, alle Vorstellungen im Sprechwerk (U/S Berliner Tor), Klaus-Groth-Str. 23, Karten zu jew. 14,-/erm. 9,- an der Abendkasse; Infos unter www.hamburgersprechwerk.de