Selten hat man Fabian Hinrichs so überzeugend und abgründig gesehen wie in dem preisgekrönten Thriller “Schwerkraft“ am Montag im ZDF.

Frederik (Fabian Hinrichs) ist ein vorbildlicher Bankangestellter mit beachtlichen Provisionen, freundlich, aber bestimmt. Als ein schwieriger Kunde die Filiale betritt, geht er ohne zu zögern auf ihn zu und bietet ihm seine Hilfe an, obwohl die Kollegen ihn deswegen schon bedauern. Der Mann ist ein schwieriger Fall und hoch verschuldet. Als Frederik ihm ankündigt, er werde seinen Kredit kündigen müssen, erschießt der Kunde sich vor seinen Augen. Damit tritt das Chaos in Frederiks Leben.

Im Rahmen seiner Reihe "Shooting Stars - Junges Kino im Zweiten" setzt sich das ZDF erfolgreich gegen sein gestriges Image zur Wehr. Heute mit einem besonders starken Argument. Es zeigt Maximilian Erlenweins preisgekröntes Regiedebüt "Schwerkraft". Eigentlich ist dieser Frederik ein Langweiler. Die Hemden und Sakkos in seinem Schrank hängen in Reih und Glied, auch die Messer in der Küche sind sorgfältig nach Größe mit dem Magnethalter an der Wand befestigt. In seinem Leben herrscht also Ordnung. Zumindest auf den ersten Blick: Denn nach der Selbsttötung werden Risse in dieser Fassade sichtbar. Sein Chef Kollath (Thorsten Merten) lobt ihn zwar noch, er solle sich keine Vorwürfe machen, er habe zwar hart, aber doch im Sinne der Bank beraten. Aber die Tat des Kunden hat bei ihm ein Ventil geöffnet. Der Zweifel kommt in sein Leben. Er möchte etwas ändern.

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Das zeigt sich schon im Medienmarkt, wo er eine CD mitgehen lassen will. Dabei stellt er sich allerdings völlig tollpatschig an. Er löst zwar den Magnetstreifen von der Verpackung, steckt ihn aber in seine eigene Tasche. Der Detektiv hätte ihn sicher geschnappt, wenn ihn sein alter Kumpel Vince (Jürgen Vogel), der dort arbeitet, nicht davon abgehalten hätte. Jahre haben sie einander nicht mehr gesehen. Vince war im Knast, und seine Erfahrungen wird Frederik noch gebrauchen können. Denn er bricht bei Kollath ein, aber wieder geht er zu linkisch vor. Erneut hilft ihm der Freund mit seinen kriminellen Kenntnissen aus der Patsche. Danach gehen sie gemeinsam auf Diebestouren, denn Vince möchte eine eigene Bar eröffnen. Er braucht dafür das Geld aus den Raubzügen, nach sieben Jahren Gefängnis ist er nicht mehr kreditwürdig. Frederik versucht, sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, er lässt der Witwe des Selbstmörders anonym Geld zukommen und geht bei Vince in die Knacki-Lehre. In der Bank späht er Kunden aus, bei denen es etwas zu holen gibt.

Privat stellt er schon lange Nadine (Nora von Waldstätten) nach, mit der er früher einmal zusammen war. Er fotografiert sie, ohne dass sie es bemerkt. Die Fotos klebt er, natürlich ebenso heimlich, fein säuberlich in Alben ein. Als er sich ihr offenbart, zeigt sie zunächst Angst vor dem ihr vertrauten Stalker. Trotzdem bemüht er sich weiterhin und aufrichtig um sie, bittet sie sogar, ihm seinen Lebenstraum zu erfüllen und mit ihm in den Nordatlantik nach Island zu reisen.

Resignierend willigt sie schließlich mit den Worten ein: "Du bist die Katastrophe meines Lebens." Nur eine Sache muss er vorher noch erledigen. So ähnlich geht es auch Vince, der noch eine Rechnung offen hat mit jemandem, der ihn in den Knast gebracht hat.

Im Gegensatz zu seinem gravitätischen Titel hat Regisseur Maximilian Erlenwein diesen düsteren und bemerkenswert ausbalancierten und komplexen Thriller mit erfrischender Leichtigkeit in Szene gesetzt. Es geht um unerfüllte Sehnsüchte, die manchmal verheerende Macht des Geldes, um die dünne Oberfläche der Normalität, um Verrat und Freundschaft. Die Geschichte hat knackige Dialoge, fängt die oft trüben Stimmungen mit gekonnter Kameraführung ein und mit Musik, die nicht nur im Hintergrund plätschert. "Ich wollte keine subtile psychologische Manipulation durch einen zurückhaltenden Score, sondern fette Songs", hat Erlenwein gesagt.

Er kann sich aber auch auf seine Darsteller verlassen. Selten sah man Fabian Hinrichs, den man auch durch seine Rolle als Hans Scholl aus "Sophie Scholl - die letzten Tage" kennt, so überzeugend und abgründig. Der Regisseur und Drehbuchautor, mit dem er schon den Kurzfilm "Blackout" drehte, hatte ihm diese Rolle auf den Leib geschrieben. Jürgen Vogel hat schon häufiger gezeigt, dass er Menschen verkörpern kann, die beängstigend sicher auf dem Grat zwischen Freundlichkeit und Gefährlichkeit balancieren können.

Mit seinem Regiedebüt "Schwerkraft" ist Maximilian Erlenwein ein schöner Erfolg gelungen. Er gewann mit dem düsteren und vielschichtigen Thriller den Nachwuchspreis "First Steps Award", erhielt vier Auszeichnungen beim Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken, wurde beim Zürich Film Festival lobend erwähnt und konnte sein Werk immerhin schon auf Festivals in Montreal, Rom, Kiew und Tallinn zeigen. Zurzeit bereitet er seinen neuen Film "Schatten" vor: einen Thriller mit Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu. Man darf also in vielerlei Hinsicht gespannt sein.

"Schwerkraft" heute, 0.00 Uhr, ZDF