Die Deutsche Nationalstiftung zeichnet “Canto elementar“ mit 50 000 Euro aus

Berlin. Die Matthäuspassion dirigieren? Kann doch jeder! Wissen, wie viele Kreuze als Vorzeichen die Tonart A-Dur hat und wie viele Sätze eine Sinfonie? Völlig überflüssig! Nein, auf etwas anderes kommt es an, sagt Hermann Rauhe, als er am Mittwochvormittag unter der großen Kuppel des Französischen Doms in Berlin-Mitte auf dem Podium steht und ins Schwärmen gerät. Nämlich um das soziale Erlebnis von Musik und Gesang, um das gemeinsame Musizieren. "Die Musik geht uns ins Blut über, wir vibrieren und wir schwingen beim Singen", ruft Rauhe mit wedelnden Armen und immer roter werdenden Wangen.

Der 82 Jahre alte Musikpädagoge und langjährige Präsident der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg ist gestern gemeinsam mit dem Musikpsychologen Karl Adamek mit dem Deutschen Nationalpreis 2012 ausgezeichnet worden. Geehrt wurden sie damit von der Deutschen Nationalstiftung für das bundesweite, vor zehn Jahren entwickelte Singprojekt "Canto elementar", in dessen Rahmen ehrenamtliche Singpaten, meist Senioren, in Kindergärten gehen und dort mit den Kleinen längst vergessene deutsche Volkslieder üben. Ausgehend von Hamburg und Nordrhein-Westfalen hat dieInitiative bundesweit mittlerweile rund 150 Kindergärten mit mehr als 15 000 Kindern erreicht.

"Vor Ihnen steht ein glücklicher Mensch", sagt Rauhe, nachdem er und Adamek die Urkunde von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), dem ehemaligen Regierungschef von Sachsen und Präsidenten des Senats der Nationalstiftung, Kurt Biedenkopf, und dem geschäftsführenden Vorstand der Deutschen Nationalstiftung, Dirk Reimers, erhielten. Der Preis wird seit 1997 jährlich von der Deutschen Nationalstiftung verliehen, einer von Altbundeskanzler Helmut Schmidt gegründeten überparteilichen Initiative.

450 Gäste sind in den Französischen Dom gekommen, darunter auch Sängerin Nena, offizielle Botschafterin von "Canto elementar", ebenso wieSebastian Krumbiegel, Sänger der Band "Die Prinzen". Gemeinsam mit den "Canto Kids", einem elfköpfigen Kinderchor, tut er das, worum es heute geht, nämlich Volkslieder singen: Erst "Geh aus, mein Herz, und suche Freud" von Paul Gerhardt, dann Hoffmann von Fallerslebens "Die Gedanken sind frei". Der Aufforderung Krumbiegels an alle, mit dem Chor mitzusingen, kommen die Gäste mit so viel Enthusiasmus nach, dass die Kinder trotz einigerMikrofone auf dem Podium gar nicht mehr zu hören sind. "Jeder Mensch ist ein musikalisches Wesen", sagt Rauhe. Bei dieser Preisverleihung wird deutlich, wie recht er damit hat.