Das “Schwabinggrad Ballett“ recherchiert in Athen für ein Projekt des Internationalen Sommertheater-Festivals in Hamburg.

Hamburg. Das Ei - hart gekocht war es und eigentlich fürs Frühstück gedacht gewesen - hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Als Mitglieder des Hamburger Aktivisten-Kollektivs "Schwabinggrad Ballett" am 17. Februar vor der deutschen Botschaft in Athen protestierten, flog dieses harte Ei, symbolisch mächtig aufgeladen, gegen das Botschaftsschild, aus nächster Nähe und natürlich vor laufender Videokamera gegen den Bundesadler. Verhaftung, Schlagzeilen und internationale mediale Aufmerksamkeit waren die Folgen.

Seit letzter Woche, direkt vor und nach der zweiten griechischen Schicksalswahl am Sonntag, sind die Schwabinggrader wieder im Geburtsland der Demokratie und des Dramas, um mit ihren Mitteln Veto einzulegen, Leute zu treffen, Ideen zu haben und bis Ende dieser Woche, ganz generell gesagt, aufmüpfige Dinge zu tun.

Interventionistisch sein im öffentlichen Raum, das ist seit Jahren schon die Haupt-Spielregel für den Hamburger Musiker Ted Gaier und seine sechs Mit-Macher. So gesehen ist es nur ein sehr kleiner, aber konsequenter Schritt vom lokalen Protest gegen den Umgang mit dem Gängeviertel und den Esso-Häusern bis zum Verdammen des internationalen Großkapitals im Allgemeinen und der Euro-Krisen-Behandlung im Besonderen. "Nicht in unserem Namen!" kann man fast überall sagen.

+++ Bretterverschläge an den Esso-Häusern - Initiative empört +++

Am Wahlabend haben sich die Schwabinggrader, Ironie ist bekanntlich eine feine Waffe für gelingenden Widerstand, extra fein gemacht, sie sind in dunkler Abendgarderobe protestieren gegangen und mit Schildern. "Judgement Day is about to come" stand da, und "Halt's Maul, Deutschland!", auf Griechisch, damit die Griechen auch sehen konnten, woran sie mit diesen Gästen aus dem Norden waren.

Was sie hier erleben und wen sie hier sprechen, das wollen sie gar nicht unbedingt in "klassische Theaterformen" gießen, sagt Gaier. Sie führen Interviews, betanken ihren Blog im Internet mit den Eindrücken, sind in der Stadt unterwegs, begegnen Wissenschaftlern und anderen Aktivisten. Am gestrigen Abend stand ein Treffen mit der Schauspielergewerkschaft auf dem Plan. Wenn alles gut läuft und die eine oder andere Geldquelle sich anzapfen lässt, wird es demnächst zu Gegenbesuchen in Hamburg kommen.

Drei Augustabende lang werden sie dann die Hamburger Park-Fiction-Fläche am Elbufer beleben, auch so eine Symboladresse, eingeklemmt zwischen alter Tradition und neuem Geld, wenngleich einige Nummern kleiner als der Athener Syntagma-Platz. Filme sind auf diesem "Platz der unbilligen Lösungen" geplant, Gespräche und Debatten, so ziemlich das ganze basisdemokratische Programm. Bei den Nach-Wahl-Griechen sei jetzt eine große Erschöpfung zu spüren, findet Gaier. Spannender als dort kann politischer Anschauungsunterricht wohl kaum sein, "hier sind neue Formen von Politik und Parteien entstanden". Es geht um ein anderes Europa, eines von unten, um Netzwerke, die andere Prioritäten setzen als die etablierten.

Dass am Freitag ausgerechnet die deutsche und die griechische Mannschaft im EM-Viertelfinale aufeinandertreffen, scheint Gaier und sein Umfeld nicht groß zu tangieren. Fußball sei hier eher eine Spartensportart, meint er, Public-Viewing-Aufläufe und sonderbare Kopfbedeckungen in Nationalfarben seien weitgehend unbekannt. Es gibt für viele Griechen Wichtigeres als ein Spiel, das 90 Minuten dauert und bei dem am Ende womöglich nur die Deutschen gewinnen.

Ressentiments erlebt, weil man aus Deutschland kommt? Ach was. "Wir sind ja auch erprobte Internationalisten, wir können hier schon klarmachen, dass wir anders drauf sind." Und da nach der Demo für sie vor der Demo ist, könnten die Schwabinggrader eigentlich gleich in die nächste Euro-Krisenregion weiterreisen. Eine Einladung aus Rom haben sie bereits.

Termine: 16.-18. August, Park Fiction.

Aktuelle Infos: http://schwabinggrad-ballett.posterous.com , www.kampnagel.de