Das Belcea Quartet spielt fulminant Beethovens Streichquartette

Hamburg. Das richtige Zusammenspiel von Kopf und Bauch, von analytischer Klarsicht und heißer Leidenschaft, ist das wohl entscheidende Geheimnis musikalischer Interpretation. Dafür hat das Belcea Quartet eine ideale Balance gefunden - und damit die DNA der Beethoven-Streichquartette entschlüsselt. So lautet das Fazit des fulminanten Zyklus, der jetzt in der kleinen Laeiszhalle zu Ende ging.

Auch im sechsten und letzten Konzert der Reihe fesselten die Streicher wieder mit ihrer bedingungslosen Hingabe. Hier brennen vier Weltklasse-Musiker für dieselbe Idee: Das war in jedem Konzert, in jedem Takt und jeder Note zu spüren. Wenn die Residenzkünstler der Elbphilharmonie Konzerte - eingeladen in Kooperation mit der Vereinigung der Kammermusikfreunde - Beethovens Partituren mit schon mikroskopischer Sorgfalt durchleuchten, dient es immer dazu, die emotionalen Tiefenschichten der Werke aufzuspüren und ihre Charaktere zu ergründen. Die sind nur selten so prägnant ausgeformt wie bei den Musikern des Belcea Quartets.

Allerliebst etwa die fast mozartsche Delikatesse im Kopfsatz des A-Dur-Quartetts op. 18,5; ziemlich schräg die hicksenden Akzente im Andante, die ein bisschen an musikalischen Schluckauf erinnern. Ja, Beethoven konnte auch witzig sein.

Gar nicht komisch, sondern erschütternd dagegen die Kontraste und Abgründe im späten Quartettkoloss op. 130: Auf der einen Seite ein zerbrechlich-zarter Gesang wie die langsame Cavatina, von Geigerin Corina Belcea wie mit stockender Stimme gespielt, auf der anderen die Große Fuge am Schluss, die so klingt, als würde ein Riese an selbst geschmiedeten Ketten zerren, um sie schließlich mit titanischer Kraft zu sprengen.

Es gehört zu den großen Stärken des Quartetts, in solchen Momenten voll auf Risiko zu gehen: Indem die Streicher sich hier bis weit über den Schönklang hinaus in die Saiten verbeißen, indem sie im rasend schnellen Presto-Satz ein fast unspielbares Tempo wählen, enthüllen sie die Wahrheit hinter dem Notentext: Beethovens beständigen Kampf mit der Materie und den eigenen Grenzen; sein Ringen um existenzielle Fragen des Menschseins, das die Quartette so einzigartig macht. Mehr kann Musik, kann Kunst überhaupt kaum können.

Deshalb gehörte der Zyklus des Belcea Quartets (jedenfalls für mich) zu den größten Ereignissen, die das Hamburger Klassik-Publikum in den letzten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, erleben durfte. Dieser Beethoven hallt noch lange nach.