James Taylor gehört zur Crème de la Crème der amerikanischen Folk-Szene. Das Hamburger Abendblatt sprach mit ihm über gute Songs und späte Reue.

Hamburg. James Taylor, 64, nimmt sich viel Zeit. Er lädt in seine Suite im Vier Jahreszeiten und lächelt. Er ist entspannt und erwartungsvoll. Und in einem Alter, in dem man sich nicht mehr hetzen lässt. Seit über 40 Jahren schreibt und spielt er seine Songs - einer der ersten globalen Singer-Songwriter der Musikgeschichte.

Hamburger Abendblatt: Herr Taylor, wissen Sie eigentlich, wie viele Songs Sie in den letzten 45 Jahren geschrieben haben?

James Taylor : Weniger als 200, aber mehr als 150.

Die genaue Zahl kennen Sie nicht?

Taylor: Nein, vielleicht sind es 175. Ich kann mich nicht erinnern, aber jetzt, wo Sie es sagen, werde ich einmal genau nachzählen.

Gab es Zeiten, in denen Sie keine Songs geschrieben haben?

Taylor: Ja, aber das war nie von langer Dauer. Höchstens mal ein, zwei Monate. Es ist wichtig, dass ich weiß, dass da immer etwas in mir wartet.

Wie lange brauchen Sie für einen Song?

Taylor: Manchmal brauche ich eine halbe Stunde für ein Lied. Und es kommt vor, dass ich eine Komposition beginne - und sie zwölf Jahre später fertigstelle.

Wie komponieren Sie?

Taylor: Ich habe immer einen kleinen Rekorder dabei, dort halte ich meine Ideen fest. Und dann höre ich mir irgendwann diese kleinen Stücke, diese musikalischen Reste wieder an. Manchmal passen zwei Ideen zusammen, und manchmal kann ich eine Idee auch zu etwas Größerem ausarbeiten.

Hat ein Songwriter Angst, dass ihm irgendwann die Ideen ausgehen?

Taylor: Bei mir wird das nie wirklich aufhören. Es geht immer weiter. Aber es verlangsamt sich etwas, wenn man älter wird. Dann ist der Druck, einen Song schreiben zu müssen, nicht mehr so groß wie früher.

Versuchen Sie jedes Mal, den perfekten Song zu schreiben?

Taylor: Wie sollte der sein? Auf welche Weise perfekt? Ich habe Songs geschrieben, von denen ich sage, sie sind sehr schön gelungen, wirklich großartig. Und andere, die vielleicht noch nicht ganz fertig waren, sind eher so etwas wie musikalische Übungen.

Was ist mit "Fire And Rain"?

Taylor: Dafür brauchte ich zwei Monate. Es ist vielleicht mein berühmtestes Lied, aber auch ein einfacher Song. "Sweet Baby James" oder "Carolina In My Mind" sind viel komplexere Lieder. Genau wie "Only A Dream In Rio" oder "Mean Old Man" von meinem letzten Album. Es ist nicht nur der Erfolg, es sind viele Dinge, die darüber entscheiden, was ein guter Song ist.

Was macht denn einen guten Song aus?

Taylor: Für mich gilt: Ich kann einen Song nicht beenden, wenn ich ihn nicht mag. Das heißt, manche meiner Lieder kommen über eine gute Idee nicht hinaus. Das Songschreiben ist für mich nach wie vor ein sehr mysteriöser Prozess, den ich nicht kontrollieren kann. Manchmal warte ich und hoffe, dass etwas aus meiner Gitarre kommt. Eine gefühlvolle Idee, die ich dann weiterverfolgen kann.

Bewundern Sie andere Songwriter?

Taylor: "Strawberry Fields Forever" von den Beatles ist ein großartiger Song. Ich mag Randy Newman, Cole Porter, Johnny Mercer, einige Dylan-Songs. Und ich liebe die Lieder von Kurt Weill.

Und aktuelle amerikanische Songwriter?

Taylor: Ich bin da nicht wirklich im Bilde, obwohl ich es eigentlich sein müsste. Bei uns zu Hause machen alle Musik, meine Frau, meine Kinder ... Ich bin ganz froh, wenn mal keine Musik läuft.

Im vergangenen Sommer haben Sie im Weißen Haus für die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gespielt.

Taylor: Es war ein Staatsdinner - und ein sehr ungewöhnlicher Ort für ein Konzert. Ich habe versucht, ein bisschen Deutsch zu reden.

Sie spielten auch "You've Got A Friend".

Taylor: Ja, und ich glaube, sie sagte, dass sie das Lied kennt.

Hat US-Präsident Barack Obama Chancen auf die Wiederwahl im November?

Taylor: Ich persönlich mag ihn sehr, er ist ein intelligenter und ehrenhafter Mann. Ich glaube, er versucht das Beste aus der Situation zu machen. Die Menschen hatten nach acht Jahren Präsidentschaft George Bush sehr hohe Erwartungen. Hoffentlich kann er seine Arbeit fortsetzen.

Woher kommt der Erfolg der Tea-Party in den USA?

Taylor: Ich weiß es nicht. Ich glaube, es ist schwierig, Amerika zu regieren. Ein riesiges Land mit einer Unmenge Menschen und Sichtweisen. Es gibt Leute, die glauben, es gebe einen Weg zurück zu einfacheren Zeiten. Das ist aber nicht möglich. Wir müssen vorwärtsgehen, es gibt nur eine Richtung. Ich glaube, diese Menschen sind in ihrem Herzen gute Leute. Aber ich weiß wirklich nicht genau, was sie wollen.

Sie wollen darüber abstimmen, welcher Glaube oder welche Sexualität für die Menschen das Richtige ist.

Taylor: Man kann nicht darüber abstimmen, ob es einen Gott gibt oder nicht. Das ist keine realistische Politik.

Werden Sie Obama unterstützen?

Taylor: Ja, das werde ich. Ich habe bereits 1972 McGovern gegen Richard Nixon unterstützt. Ich bin kein Politiker, und meine Musik ist nicht politisch. Ich bin ein Bürger Amerikas. Und der fühlte sich während der Regierung von Präsident Bush sehr schlecht.

Sie geben in Ihren Songs sehr persönliche Dinge preis. Sind Sie zufrieden?

Taylor: Ich wünschte, ich hätte früher auf die Drogen verzichtet. Aber alles gehört zusammen. Ich wollte Chemiker werden. Aber ich liebte auch die Musik. Mit 18 Jahren habe ich die Schule verlassen, ging nach New York und spielte in einer Band. Da wusste ich: Das ist es. Heute weiß ich, dass ich ein außergewöhnliches und glückliches Leben habe. Ich bin gesegnet, und es gibt wirklich gar nichts, über das ich mich beschweren könnte. Es ist wirklich wahr: Wenn du deine Arbeit liebst, ist das zusammen mit ein, zwei anderen Dingen das Wichtigste für ein glückliches Leben.

James Taylor spielt am 28. April in der Laeiszhalle, Karten ab 48,-; www.elbphilharmonie.de