Die Bremer Messe Jazzahead geriet zum Forum für umtriebige Musiker. Das Treffen wuchs in den letzten zwei Jahren beträchtlich.

Bremen. Wenn der größte Zeitschriftenhändler im Bremer Hauptbahnhof sein schönstes Schaufenster mit 18 Heften derselben Ausgabe des Magazins "Jazz thing" dekoriert, dann erinnert das ästhetisch an Andy Warhols Campbell's-Suppenbüchsentapete. Vor allem aber liefert der Anblick einen Beweis dafür, dass die Messe Jazzahead, die am vergangenen Wochenende in Bremen ihre siebte Ausgabe erlebte, dort inzwischen für ein Pfund gehalten wird, mit dem sich zu wuchern lohnt.

Das Branchentreffen - halb wuselige Mega-Kontaktbörse, halb Marathon öffentlich zugänglicher Mini-Konzerte - ist in den vergangenen beiden Jahren fast beunruhigend schnell gewachsen. 35 Prozent mehr Aussteller als im Vorjahr meldet die Messe Bremen, wobei man da gegenüber 2010 schon eine Steigerung von 25 Prozent aufzuweisen hatte. 496 mit der Herstellung oder Verbreitung von Jazz beschäftigte Firmen, Initiativen, Agenturen, Einzelpersonen und Hochschulen aus 31 Nationen drängten sich diesmal auf dem Gelände, viele teilten sich einen Stand.

Zusammenlegung der Kräfte lautet auch in der Hamburger Jazzszene seit dem vergangenen Jahr die Devise. Der "Jazz Moves" genannte informelle Zusammenschluss aus Jazzbüro, einigen Labels, Veranstaltern und Festivals lud am Sonnabendmorgen unter dem Lockruf "Do you know Franzbrötchen?" Interessenten an ihren Gemeinschaftsstand. In Hörweite warb die Hamburger Konzertdirektion Karsten Jahnke für ihre Jazz-Aktivitäten.

Nicht nur beim traditionellen "High Tea" des Impresarios am Freitagnachmittag, wo sich bei Kuchen und Jahnkes bevorzugtem Heißgetränk alles trifft, stand ein Thema im Vordergrund: die Ende Februar vollzogene freundliche Übernahme des trägen Interessenverbands "Union Deutscher Jazzmusiker" (UDJ) durch eine Handvoll gut organisierter und zielbewusster Musiker um die Pianistin Julia Hülsmann und den Saxofonisten Felix Falk. Mit dem Selbstbewusstsein großer Gewerkschaftsfunktionäre stellen die an die Institutionsspitze marschierten Rebellen nun Forderungen auf - etwa eine Mindestgage für Musiker bei öffentlich geförderten Konzerten oder die Einrichtung von genauso vielen öffentlich geförderten Jazz-Spielorten, wie es Opernhäuser gibt. Zugleich wollen sie ihre Musik vom unseligen Graubart- und Fußwipp-Image befreien.

+++ Neue Fabrik-Chefin: "Es darf gern etwas mehr Jazz sein" +++

Die Jazzahead unterstützt die neue deutsche Umtriebigkeit auf ihre Weise. Die "German Jazz Expo", bei der sich zehn einheimische Bands in halbstündigen Konzerten auswärtigen Festival- und Bookingagenten empfehlen können, gibt es ab jetzt jedes Jahr. Obwohl die Bands Anreise und Übernachtung selbst bezahlen müssen und ohne Gage spielen, sind die Plätze begehrt - 2012 gab es 280 Bewerbungen.

Einziger Hamburger Vertreter war der Saxofonist Sebastian Gille, der mit dem unfassbar guten Pablo Held Trio ein ebenso introvertiertes wie überragendes Konzert ablieferte. Ob sich das Showcase für ihn auszahlen wird? Visitenkarten interessierter Fachleute sammelte Gilles Konzertveranstalterin jedenfalls dutzendweise ein, darunter auch die eines Agenten aus New York.

Erstmals vergab die Jazzahead auch einen "Preis für deutschen Jazzjournalismus". Er sei vor allem als Ansporn gedacht, dem in deutschen Tageszeitungen meist nur am Rande wahrgenommenen Musikgenre mehr Geltung zu verschaffen, sagte der künstlerische Leiter der Jazzahead, Uli Beckerhoff. Als Erster nahm der freie Journalist Hans-Jürgen Linke Urkunde und Preisgeld (5000 Euro) entgegen, das von der Hamburger Dr.-E.-A.-Langner-Stiftung bereitgestellt wurde.

Der Skoda-Jazz-Award ging an Siggi Loch, den Gründer und Chef des ACT-Labels. Loch braucht das Geld nicht und verdoppelte die Summe auf 30 000 Euro. Davon soll der Schlagzeuger Pete York nun ein deutsches Nachwuchs-Ensemble zusammenstellen, das Musik von Count Basie spielt. Aufbruch? Nur im Respekt vor der Geschichte des Jazz.