Junge Musiker aus der Aktion “Jedem Kind ein Instrument“ laden heute im ersten Jahreskonzert zu einer Reise in die Musikstadt Hamburg ein.

CCH. Corinna Wackernagel-Rauhaus hebt beide Hände, Stühle kratzen über den Boden, leises Geplapper, dann wird es mucksmäuschenstill. Sie blickt aufmerksam in die Runde, hebt leicht den Kopf, dann die Hände, und die Geigen setzen ein. Flöten, Klavier, Percussion-Instrumente folgen. Mal unterbricht die Musiklehrerin die fast 40 Kinder in der Pausenhalle der Meiendorfer Grundschule in der Islandstraße: "Ihr wisst ja, man kann ein Stück immer gleichbleibend laut spielen, man kann es aber auch in einem riesigen Feuerwerk münden lassen." So wie ihr eigens komponiertes Schullied "Kommt auch zur Islandstraße".

Die Meiendorfer Schule ist eine der mehr als 60 Grundschulen, die seit 2009 an dem Programm "Jedem Kind ein Instrument" - kurz JeKi - teilnehmen. Mit jährlich 1,7 Millionen Euro unterstützt die Stadt den Musikunterricht in den ausgewählten Schulen, stellt kostenlos Instrumente zur Verfügung und finanziert externe Musiklehrer. Erst lernen die Kinder verschiedene Instrumente kennen, dann wählen sie eins aus, für das sie in der dritten und vierten Klasse in Kleingruppen Unterricht erhalten. Die Meiendorfer Viertklässler gehören zudem zu den rund 200 Kindern, die heute Abend beim 1. Hamburger JeKi-Jahreskonzert im CCH dabei sind.

"Ich bin nicht aufgeregt, es kribbelt nur ein ganz kleines bisschen im Bauch", erzählt die neunjährige Liev Klauer bei einer der letzten Proben. "Wir spielen ja alle zusammen", sagt die junge Geigenspielerin und bringt damit ein Ziel des JeKi-Programms auf den Punkt. "Die Kinder lernen, sich zu konzentrieren, merken, wie wichtig Disziplin ist, wenn man in der Gruppe musiziert", erklärt Corinna Wackernagel-Rauhaus. Und sie würden geduldiger miteinander, weil sie wüssten, dass jeder mal einen Fehler macht. "Die Kinder spielen ja auf einem sehr unterschiedlichen Niveau", gibt sie zu bedenken. So wie die Viertklässlerin Liev, die bereits privat Geigenunterricht hatte, außerdem Klavier spielt und nach den Sommerferien mit dem Cello-Unterricht beginnen möchte.

+++ Erziehung nach Noten +++

Doch es gibt auch andere Kinder an der Meiendorfer Schule, Kinder, deren Eltern keinen Bezug zur Musik haben oder kein Geld für Instrumente und Unterricht. "Der soziale Aspekt war ein wesentliches Kriterium bei der Auswahl der JeKi-Schulen", erklärt Theodor Huß, Projektleiter bei der Behörde für Schule und Berufsbildung. Meiendorf sei eine typische "Mischlage" mit einer sehr heterogenen sozialen Struktur, viele andere JeKi-Schulen lägen in sozial benachteiligten Stadtteilen. Denn Ziel ist es, neben der Freude am Musizieren die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes zu unterstützen. "Natürlich kann ich nicht jedem Kind jedes Instrument in die Hand drücken", sagt Wackernagel-Rauhaus. Aggressive Kinder versuche sie an Percussion-Instrumente oder die Flöte heranzuführen. "Und es ist ganz erstaunlich, wie beruhigend und ausgleichend es auf diese Kinder wirkt, wenn sie auf eine Trommel einschlagen dürfen."

Viele ihrer Schüler wollten weitermusizieren, auch wenn sie im Sommer die Grundschule verlassen, aber eben nicht alle. "Trotzdem war für diese Kinder der Musikunterricht keine vergeudete Zeit", steht für den Meiendorfer Schulleiter Sönke Schachtschneider fest.

Auch wenn dieser Musikunterreicht nicht mit Einzelunterricht zu vergleichen sei, hätten die Kinder zumindest die Chance bekommen, überhaupt ein Instrument kennenzulernen. "Und sie merken beim Musizieren selber, wie wichtig es ist, mal leise zu sein und aufeinander Rücksicht zu nehmen", sagt Schachtschneider. Schlüsselkompetenzen, die nicht nur für das Musizieren wichtig sind - von den musikalischen Fähigkeiten ganz zu schweigen. Denn zumindest Liev ist sich sicher: "Meine Eltern genießen es immer, wenn ich zu Hause Geige oder Klavier spiele."

"Reise in die Musikstadt Hamburg - 1. Hamburger JeKi-Jahreskonzert" heute 18.00, CCH Saal 3 (S Dammtor/U Stephansplatz), Am Dammtor/Marseiller Straße, Eintritt 2,-; www.li.hamburg.de/jeki