Die 47 Jahre alte Kulturmanagerin Ulrike Lorenz spricht im Interview erstmals über ihre Pläne als neue Fabrik-Chefin in Ottensen.

Hamburg. 2011, ausgerechnet im 40. Jahr ihres Bestehens, entbrannte ein heftiger Streit über die Zukunft des Kultur- und Kommunikationszentrums Fabrik. Die Hamburger Kulturbehörde wollte einen Wechsel in der Leitung des Hauses herbeiführen, mahnte eine Erneuerung des Konzepts an und stellte dazu die Subventionen für die bundesweit bekannte Kultureinrichtung infrage. Jetzt hat Fabrik-Gründer Horst Dietrich , 75, die Geschäftsleitung in jüngere Hände gelegt. An seine Stelle ist die 47 Jahre alte Kulturmanagerin Ulrike Lorenz getreten. Im Abendblatt-Interview spricht sie erstmals über ihre Vorstellungen.

Hamburger Abendblatt: Frau Lorenz, was hat Sie getrieben, sich um die Leitungsposition in der Fabrik zu bewerben?

Ulrike Lorenz: Die Fabrik als erstes Kultur- und Kommunikationszentrum der Bundesrepublik ist eine bedeutende Einrichtung mit langer Geschichte. Viele sind ihrem erfolgreichen Konzept gefolgt. Das Angebot der offenen Kinder- und Jugendarbeit zum einen und das kulturelle Angebot zum anderen reizt mich inhaltlich sehr.

Wo haben Sie bisher Erfahrungen im Kulturmanagement gesammelt?

Lorenz: Meine Sporen habe ich mir in den 90er-Jahren mit der Realisierung der Sommerfeste der Berliner Bühnen auf dem Potsdamer Platz verdient. Damals wurde das Hebbel-Theater Berlin damit beauftragt, den Potsdamer Platz als Berlins neues - auch kulturelles Zentrum - zu inszenieren. Wir hatten mehr als 100 000 Besucher an zwei Tagen mit zehn gleichzeitig bespielten Bühnen. Danach habe ich sieben Jahre lang das LOT-Theater in Braunschweig als Geschäftsführerin und künstlerische Leiterin geführt - eine Spielstätte der freien Theaterszene, in der wir neben Theaterproduktionen auch viel Musikprogramm und pädagogische Projekte präsentiert haben. Zuletzt habe ich vier Jahre lang das Kulturbüro der Stadt Wolfsburg geleitet. Insofern kenne ich auch die Bedingungen und Nöte einer Kulturverwaltung von innen. Darüber hinaus habe ich auch an der Kulturentwicklungsplanung beider Städte mitgewirkt.

Das "Kultur für alle"-Konzept mit Konzerten, politischen Diskussionen und Kinderbetreuung im Stadtteil ist von verschiedenen Seiten bedroht: von Ganztagsschulen, von der Konkurrenz ähnlicher Einrichtungen im Stadtteil, von Abwanderung des Interesses zum Internet. Ist dieses Konzept noch zeitgemäß?

Lorenz: Wir erleben ja gerade die Diskussion darüber. Ich halte das "Kultur für alle"- Konzept für wichtiger denn je, gerade um die kulturelle Teilhabe weiterhin quer durch alle Bevölkerungsschichten und Generationen zu ermöglichen. Selbstverständlich müssen dabei die Instrumente der Vermittlung auf der Höhe der Zeit sein. Das ist besonders bei der Kinderbetreuung relevant. Mein Ziel ist es, die Medienkompetenz der Kinder und Jugendlichen stärker zu fördern. Mit dem Internetcafé hat die Fabrik schon ein erstes Angebot, das es auszubauen gilt.

Wo liegen Stärken der Fabrik, die noch stärker zu Geltung gebracht werden könnten?

Lorenz: Eine Stärke der Fabrik liegt in ihrer festen Verwurzelung im Stadtteil und in der Stadtteilarbeit, aber auch im Profil ihres Musik- und Veranstaltungsprogramms. Künstler, die hier auftreten, machen häufig Mut, Dinge zu hinterfragen, laden ein mitzudiskutieren und fördern so die gesellschaftliche Partizipation.

Die Fabrik ringt seit Langem um einen Anbau. Wie wichtig ist Ihnen diese Idee und wofür sollte der Anbau genutzt werden?

Lorenz: Für mich ist der Anbau ein sehr wichtiger Punkt. Das hängt wesentlich mit dem erweiterten Angebot zusammen, das wir Kindern und Jugendlichen dann anbieten könnten - gerade im Bereich der neuen Medien. Darüber hinaus können wir mit größerer Raumkapazität unsere Zusammenarbeit mit den Schulen weiter ausbauen.

Was sind Ihre Prioritäten im Generationenwechsel?

Lorenz: Ich fühle mich der Gründungsidee der Fabrik stark verpflichtet. In diesem Sinne werde ich das eindrucksvolle Werk von Horst Diedrich weiterführen. Einen Generationenwechsel darf es aber in Teilen des musikalischen Programms geben. Hier wollen wir gemeinsam jüngere Künstler und Formate anbieten. Es kann auch gern wieder etwas mehr Jazz sein. Das theaterpädagogische Angebot möchte ich ebenfalls verstärken.

Wie wichtig ist für Sie die Vernetzung mit anderen Kulturinstitutionen?

Lorenz: Ich denke, dass es sich nicht widerspricht, ein klares eigenes Profil zu haben und dort zu kooperieren, wo es Sinn macht. Ich habe in meiner letzten Wirkungsstätte - etwa mit dem Science &Art-Festival "Phaenomenale", an dem über 20 Einrichtungen beteiligt waren - mit Kooperationen sehr gute Erfahrungen gemacht.

Eine häufig wiederkehrende Kritik ist die Dauersubventionierung der Fabrik durch die Stadt und deren Höhe von zurzeit 550 000 Euro pro Jahr. Was halten Sie den Kritikern entgegen?

Lorenz: Ich habe mir die Zahlen aus der Ziel- und Leistungsvereinbarung 2011 angesehen, die die Fabrik mit der Kulturbehörde geschlossen hat. Darin erwirtschaftet die Fabrik einen Eigenanteil von 74 Prozent. Das heißt, dass sie drei Viertel des Gesamtetats selbst aufbringt. Das ist für eine öffentlich geförderte Einrichtung ein herausragendes Verhältnis. Wenn man die inhaltliche Arbeit der Fabrik ernst nimmt, darf man die verschiedenen Bereiche nicht stärker kommerzialisieren. Das ginge am Profil des Hauses, für das die Fabrik seit über 40 Jahren steht, komplett vorbei und würde unser Publikum bestenfalls stark irritieren. Außerdem gibt es kommerzielle Angebote für alle Zielgruppen in Hamburg ja reichlich.

Welche Rolle wird künftig Horst Dietrich spielen, der die Fabrik vor 41 Jahren mitgegründet hat?

Lorenz: Horst Dietrich wird sich aus dem Operativen zurückziehen, das ist richtig. Ich freue mich aber, dass er die nächsten Schritte noch aus dem Vorstand herausbegleiten wird. Wie bei jedem Generationswechsel ist es notwendig, eine gute Übergabe und Einarbeitung zu gewährleisten. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.