Mädchenschwarm und Männerschwarm: Musiker Wouter Hamel aus Holland stellt am Abend im Gruenspan sein Album “Lohengrin“ vor.

Gruenspan. Wenn es mal langweilig wurde auf Familienfesten damals bei Hamels zu Haus in der Lohengrinstraat in Den Haag, kurz vorm Nordseestrand, dann war der kleine Wouter immer eine sichere Bank. "Lass Wouter was machen", sagten die Verwandten, und der kleine Wouter machte was. Spaß, Grimassen, Singen. "Ich war schon als Kind ein Entertainer", erzählt der zart gebaute Sänger aus Holland. Das ist vielleicht eine Erklärung dafür, weshalb es ihm überhaupt nichts ausmacht, in einem Eimsbütteler Restaurant vor versammelter Pressemeute ohne Mikro zur Gitarre ein paar seiner neuen Lieder zu singen. Dazu sieht er noch aus, als sei er geboren, um Mädchenherzen zum Schmelzen zu bringen.

Doch hinter diesem picobello angezogenen Herrn Hamel steckt mehr als bloß ein hübsches Leichtgewicht mit einem Frauenmund. Er komponiert seine Songs in einem sehr eigen zwischen Jazz und Pop changierenden Stil; manchmal lässt ein Takt zugleich an die Beatles und an Frank Sinatra denken, man hört Einflüsse von Steely Dan und Queen, die Arrangements sind groß und stecken voller Überraschungen. Seine Melodien sind auf eingängige Weise raffiniert, er spart nicht an Akkorden. Und singen tut Hamel wie ein Crooner mit Tiefgang.

Sein größtes Vorbild heißt Curtis Mayfield: "Der aufrichtigste Sänger, den ich je gehört habe", sagt Hamel, und macht damit zugleich klar, wonach er selbst in seiner Musik am meisten strebt. Nun ist Aufrichtigkeit nicht gerade die stärkste Währung im Pop-Geschäft. Unterhalten, Freude verbreiten, und doch mit nichts hinterm Berg halten, das ist keine einfache Kunst. Hamel kommt ihr immer näher, und er hat lange dafür gebraucht. Im Mai wird er 35 Jahre alt, sein erstes Album veröffentlichte er mit 30 Jahren, sein jüngstes, "Lohengrin", ist sein drittes.

Wouter Hamel studierte eine Zeit lang Journalismus, ehe er sich auf dem Konservatorium von Utrecht ganz der Musik verschrieb. Die Jahre dort betrachtet er rückblickend wie eine fortgesetzte Injektion zum Zwecke der Kreativitätslähmung. Immer sei es nur um Technik, um Intonation und Stütze gegangen, nie um Seele, geschweige denn um Soul. Erst hinterher, bei einem Workshop mit dem amerikanischen Jazzsänger Mark Murphy, habe er Zutrauen in seine Qualitäten als Solosänger gefasst. Doch preist er froh und dankbar all das Handwerk, das er am Konservatorium gelernt hat. "Es gibt viele kleine Stimmen in der Popmusik", sagt Hamel. Seine, bestens geschult, gehört jedenfalls nicht dazu. Und die Sonne in seiner Kehle hält er mit verschatteten Songtexten in Schach: "Ich klinge ziemlich hell, deshalb mag ich wohl dunkle Texte. Ich schreibe gerne über Leute mit Obsessionen."

In Holland hat Hamel in so ungefähr jedem Klub und in jedem Konzerthaus gesungen und sehr anständig Platten verkauft. Berühmt sei er dort trotzdem nicht, sagt er: "Aber Stars gibt es in Holland sowieso nicht. Selbst die wirklich berühmten Leute gehen im Supermarkt einkaufen und zeigen sich betrunken in der Bar." Richtig verrückt nach ihm sind sie in einigen Ländern Asiens. In Tokio braucht Hamel Bodyguards, sie lieben ihn in Taiwan und Thailand, und sie liebten ihn auch in Indonesien. Dann träufelte Hamel einen hochwirksamen Tropfen Gift in seine Karriere: Er war aufrichtig. Nicht nur die indonesischen Mädchenherzen entsetzte sein Bekenntnis, er sei sexuell mehr den Männern zugetan. So etwas kommt nicht gut an in Indonesien. "Seither hab ich's da schwer."

Bei der Gelegenheit räumt Hamel auch ein Klischeebild im Hirn seines Interviewers beiseite. Das weltweit als Kifferparadies gerühmte Holland sei in Fragen sexueller Lebensformen mitnichten liberal, sondern immer noch calvinistisch und prüde. "Gay Icons? Haben wir nicht." Wie offen sich Künstler, Bürgermeister, selbst Bundesminister in Deutschland zu ihrer Homosexualität bekennen, das macht ihm unser Land gleich noch mal sympathischer.

Hamel heute, 19.30, Gruenspan (S Reeperbahn), Große Freiheit 58, Tickets 25,-