Hochpolitische Eltern, 68er und Kindheit in Rom: David Chotjewitz stellt sich im Theaterstück “narziss und die revolution“ seiner Kindheit und Jugend.

Hamburg. David Chotjewitz ist ein Kind der 68er-Generation. Und ein Mann des Wortes. Das ist während des Gesprächs über seine Kindheit in Rom und die hochpolitischen Eltern - er ist ein Sohn des Schriftstellers Peter O. Chotjewitz - und beim Reden über das Schreiben und das Theater in seinen gewundenen, nach Genauigkeit suchenden Satzbögen stets zu spüren.

"Die Kinder der 68er" sind in Film und Literatur ein Trendthema. David Chotjewitz, Jahrgang 1964, bringt es nun ins Theater - und bleibt doch außerhalb: In Seminarräumen, Korridoren und auf dem Hof der HafenCity-Universität inszeniert der Hamburger Autor, Dramatiker und Gründer des Theaters: Playstation "narziss und die revolution" als Party und Performance.

Im biografisch-dokumentarischen Projekt, einer Koproduktion mit Kampnagel, reflektiert Chotjewitz über den "römischen Frühling" seiner Kindheit und die Jugendjahre in hessischen Landkommunen während des Deutschen Herbstes. "Ich verwende Material aus einer Sammlung kurzer autobiografischer Texte, bin auch als Gastgeber anwesend, erlaube aber auch fremde Sichtweisen und Zugriffe", sagt er zum Konzept. Er wolle die Narzissmus-Gefahr des Projekts mit verschiedenen Spielformaten unterlaufen. Performer Jo Kappl spielt eine Figur und ist parallel das Alter Ego. Henna Peschel drehte über den Fotografen Gunter Rambow einen Film. Ted Gaier (Goldene Zitronen) geht musikalisch auf Spurensuche.

Italienische Schnulzen und kubanische Rhythmen (auch zum Mittanzen!) erklingen. Beides erinnert Chotjewitz an Rom, als sein Vater, damals ein Popstar in der linken Literaturszene, Stipendiat in der Villa Massimo war. "Meine Mutter hatte einen ,Barbudo', einen bärtigen kubanischen Revoluzzer, als Lover, der eigentlich ein kommunistischer Italiener und Journalist war", erzählt Chotjewitz junior.

Der Senior pflegte seinerseits Kontakte zu Kommunisten wie auch zu Mitgliedern der RAF. Klein David spielte Räuber und Gendarm mit Grudrun Ensslin und Andreas Baader. "Aber ich lernte auch die Not im Arbeiterviertel Trastevere kennen, hörte, dass gegen Hunger und Not der Menschen etwas getan werden musste." Der Kommunismus sei in der italienischen Gesellschaft verankert gewesen, anders als in Deutschland, wo Kommunisten als linke Spinner galten. "Es herrschte Aufbruchsstimmung. Wir dachten jeden Tag: Morgen kommt die Revolution."

Doch mehr als Politik und Revolution bekam der Junge das "wilde" hippiemäßige Boheme-Leben der Eltern zu spüren. Mit allen Schatten und Sonnenseiten. Im Haus verkehrten Schriftsteller wie Ingeborg Bachmann ("immer ganz in Weiß") oder Rolf Dieter Brinkmann. David erlebte Dario Fos Auftritte, seine Art, nichts vorzuspielen, sondern von sich und dem, was aktuell passierte, zu erzählen. "Mich hat die Praxis von Fo, in Hallen zu spielen, geprägt. Das Offenlegen der Figuren gefällt mir bis heute, der Humor und seine Leichtigkeit. Hat letztlich mit diesem unmöglichen, am besten nicht in den Mund zu nehmenden Begriff der Authentizität zu tun."

Darum interessieren David Chotjewitz Figuren aus der Wirklichkeit, egal ob es sich um Geschichten Jugendlicher handelt ("BLUT on the Dancefloor"), die Biografie von Brandon Teena in "Boys Don't Cry" oder die "Nazi-Sängerin" Rosita Serrano. Nun stellt er sich der eigenen. Das Theaterprojekt inspiriert ihn vielleicht zum Buch. Denn der Autor von Romanen über Albert Einstein und Karl Marx hat sein Stück "Stirb, Popstar, stirb" zum Roman "Crazy Diamond" umgearbeitet. Doch Chotjewitz will sich weder als Schriftsteller noch als Theatermachers festlegen (lassen). Auch ein Weg, sich vom Druck des Vater-Vorbilds zu befreien.

"narziss und die revolution" Fr 20.4., 20.00 HafenCity-Universität, Averhoffstraße 38, Karten über Kampnagel unter T. 27 09 49 49