Das Gastspiel “Licht im Dunkel“ am Ernst-Deutsch-Theater erzählt die Geschichte einer lebenslangen Freundschaft zweier Seelenverwandten.

Hamburg. Das nennt man Glück im Unglück. Kaum war vor einigen Wochen die geplante Premiere von "Halpern & Johnson" mit Peter Striebeck und Uwe Friedrichsen am Ernst-Deutsch-Theater geplatzt, stand wenig später das Gastspiel "Licht im Dunkel" als Ersatz fest. Dramaturg Stefan Kroner hatte zufällig Volker Hesses Inszenierung in Essen gesehen - und Birge Schade war, wie auch ihre Kollegen, frei von Drehterminen oder anderen Auftrittsverpflichtungen. Sie spielt in "Licht im Dunkel" die energische Lehrerin des taubblinden Mädchens Helen Keller (1880-1968), das durch die Geduld und Konsequenz der Lehrerin zu einer bekannten Schriftstellerin wird.

Nach ihrer Autobiografie hatte der US-amerikanische Autor William Gibson sein Bühnenstück geschrieben und auch das Drehbuch für Arthur Penns mehrfach ausgezeichnetes Filmdrama von 1962 verfasst. Die Geschichte über beharrlichen Mut und das Bezwingen der eigenen Isolation gegen alle Widerstände weckte Aufmerksamkeit und ein Bewusstsein für die Erziehung von Blinden und den Umgang mit ihnen. In der Rolle der Lehrerin Anne Sullivan erspielte sich Anne Bancroft einen Oscar als beste Hauptdarstellerin.

"Es war eine schicksalhafte Begegnung zwischen Annie und Helen", sagt Birge Schade. "Die eine schien für die andere geboren zu sein. Sie waren Seelenverwandte und 50 Jahre lang Freundinnen. Die eine konnte ohne die andere nicht." Gibsons Schauspiel zeigt die schwierige und nicht undramatische Anfangsphase in der Beziehung zwischen Lehrerin und Schülerin. "Ich finde Annies Erbarmungslosigkeit, mit der sie das Kind behandelt, interessant."

Sullivan kam aus armen Verhältnissen, war erblindet und in einem Heim untergebracht, bis ihr eine Augenoperation eingeschränktes Sehen ermöglichte. Sie wusste, wie es war, blind zu sein. Helen Miller wurde erst mit 19 Monaten durch eine Hirnhautentzündung blind und taub. Sie hatte aber als Baby erste Eindrücke von Sehen und Sprache mitbekommen. "Annie wusste, dass mit der Mitleidstour nichts zu erreichen war, und konnte Helens Gefangensein in Isolation durch die Kommunikation mit dem Fingeralphabet für Gehörlose durchbrechen." Die Buchstaben werden mit den Fingern in die Hand geformt. Für die Schauspielerin auch eine Herausforderung. Sie und ihre Partnerin Laia Sanmartin haben das Deutsche Taubblindenwerk in Hannover besucht, um zu einer gemeinsamen Sprache zu finden. "Aber man kann es sich als Hörender und Sehender doch nicht wirklich vorstellen, was es bedeutet, ohne diese Sinne zu leben."

Birge Schade ist neugierig und offen für alle Facetten menschlicher Charaktere, wie sie es in zahllosen Rollen im Film und auf der Bühne gezeigt hat. Wie viele Mädchen hat sie über das Ballett ins Theater gefunden, wo sie zuerst in kleinen Rollen auftrat. Doch dann wusste sie, dass sie statt Tänzerin viel lieber Schauspielerin werden wollte - und ließ sich in München ausbilden. Sie spielte Klassiker in der Bremer Shakespeare Company, trat andererseits in Off-Produktionen in den Sophiensaelen in Berlin auf, wo sie seit 15 Jahren lebt. Auch in Film und Fernsehen reicht Schades Rollenspektrum von der Schmonzette ("Die Wüstenrose") über Krimis und Komödie ("Fast eine Million") bis zu ernsten und tragischen Frauenfiguren ("Katzenzungen", "Hotte im Paradies"). Mehrfach erhielt Schade die Auszeichnung "Beste Nebendarstellerin", was ihr gefällt. Klar. Lautet doch eine alte Theaterregel: Ohne gute Partner gibt es keine guten Hauptdarsteller.

Auf der Mundsburg-Bühne ist Birge Schade nun Hauptdarstellerin, sie tritt hier zum ersten Mal auf. "In Hamburg habe ich bisher nur gedreht, aber bis zu meinem sechsten Lebensjahr haben wir am Hafen gelebt", erzählt die Tochter eines Schiffsingenieurs. "Ich bin auf St. Pauli in den Kindergarten gegangen." Dann kam der Umzug nach Bayern. "Mit Doris Schade, der Schauspielerin an den Münchner Kammerspielen, bin ich jedoch nicht verwandt", kommt sie der Frage zuvor. "Ich habe sie oft gesehen und immer bewundert, nahm es als ein gutes Omen, dass ich auch so heiße, und habe meinen Namen deshalb behalten." Offenbar brachte ihr das Glück und auch Erfolg.

"Licht im Dunkel" , 19.30, dann bis 25.5., Ernst-Deutsch-Theater (U Mundsburg), Friedrich-Schütter-Platz 1, Karten zu 18,- bis 34,- unter T. 22 70 14 20

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