Dietrich von Horn, Sieger des Abendblatt-Wettbewerbs, las aus seinem gekürten Roman “Aber sonst ist eigentlich nicht viel passiert“.

Bargteheide. Zehn Minuten sind um, vielleicht auch weniger, da wird einem klar: Das hier ist keine Lesung wie sonst immer. Das hier ist eine Mischung aus guter Comedy, einem norddeutschen Heimatabend und der letzten Schulstunde vor den Ferien. Dietrich von Horn, 67, Sieger des Romanwettbewerbs des Hamburger Abendblatts, war früher Lehrer, und wahrscheinlich wird er das kennen: dieses Gefühl, dass alle ihm zuhören, seinen Worten folgen, wie am Freitagabend auf dem Jagdschloss Malepartus bei Bargteheide.

Doch dass knapp 80 Menschen kommen, das überrascht auch von Horn, "Junge, bin ich aufgeregt", sagt er gleich zu Beginn. Davon ist bald nichts mehr zu spüren, im Publikum sowieso nicht. Der Mann in der dritten Reihe lacht nach zehn Minuten Tränen, und die Frau hinter ihm gackert, als wäre sie im Kino und das da vorne ein Loriot-Sketch. Es ist die Stelle im Roman, an der Stefan, Bewohner des fiktiven Örtchens Großlüttsee und Sohn von Bauer Kurt Möhl, seinen Eltern zu Beginn der Sportschau ein Gedicht über Schafe vorträgt, und man muss schon ein ziemlich dröger Mensch sein, um an dieser Stelle nicht auch laut zu lachen.

Frau Petersen ist gemeinsam mit ihrem Mann zur Lesung gekommen, sie ist schon ein wenig älter. Bei ihr hat Dietrich von Horn als Junglehrer zur Untermiete gewohnt, das war im Jahr 1971. Er erzählt diese Geschichte nach der Pause. Frau Petersen ist gemeinsam mit ihrem Mann zur Lesung gekommen, vorher hat sie aber noch ein Bund Radieschen gekauft, die hat Dietrich von Horn damals sehr gern gegessen. Sie schenkt ihm das Bund in der Pause. "Aber die sind nicht von damals, die sind frisch, nech", ruft sie ihm zu, als der zweite Teil des Abends beginnt.

Holmer Zastrow begleitet die Lesung aus "Aber sonst ist eigentlich nicht viel passiert" am Klavier, das ergänzt sich perfekt. Von Horn ist ein guter Erzähler, ein ironischer Betrachter des dörflichen Lebens, sein Roman ist eine einzige Karikatur des norddeutschen Provinzlers.

Doch von Horn stellt die Menschen in seinem Buch niemals bloß, er schildert ihre Lieben und Leiden so trocken und ehrlich, dass seine Idee, eine Geschichte in kurzen Porträts zu erzählen, bis zum Ende trägt. Was kein Wunder ist, bei Skizzen wie diesen: "Weil Erwin Geerken nachts immer häufiger auf die Toilette muss, will er nächste Woche zum Arzt, zu einem Urologen in der Kreisstadt. Im Warteraum sitzen mehrere graue alte Männer, die in der ,Bunten' blättern, wo drinsteht, dass es die Reichen auch nicht leicht haben. An der Wand hängt ein Viagra-Kalender. Das Bild des Monats zeigt einen üppigen Frauenhintern, auf dem sich ein bunter Schmetterling niedergelassen hat." Jetzt muss der Mann in der dritten Reihe so heftig lachen, dass seine Frau ihm ein Taschentuch gibt.

Ganz zum Schluss liest Dietrich von Horn die Stelle vor, an der Sule Mbamako, ein Flüchtling aus dem Benin, der aus Versehen Schützenkönig von Großlüttsee wird, vom Festzug an seinem Wohncontainer abgeholt wird. Die Schützenkapelle spielt "Horch, was kommt von draußen rein", was Holmer Zastrow auch gleich auf dem Klavier intoniert - nur kennt niemand im Publikum so richtig den Text. Bis auf Frau Petersen.

Es ist der Gedanke, mit dem man diese Lesung verlässt, ins Auto steigt und zurück in die Großstadt fährt: Dieser Dietrich von Horn mit seinem Roman, der könnte wirklich Kult werden.

Dietrich von Horn: "Aber sonst ist eigentlich nicht viel passiert", Tredition-Verlag, 168 Seiten, 13,95 Euro