Mensch gegen Natur: In dem Kinofilm “The Grey“ von Joe Carnahan flüchten acht Überlebende eines Flugzeugabsturzes durch die Schneewüsten Alaskas.

Hamburg. Erst ist da nur ein Knurren aus unbestimmter Richtung, das Urängste weckt. Wenig später glühen Augenpaare in der tiefdunklen Nacht. Eins, dann zwei, dann immer mehr. Es ist da, das Wolfsrudel. Und es ist gekommen, um acht Männer zu töten, die durch die endlose Schneewüste Alaskas irren.

Eisig heult der Wind in Joe Carnahans Survivaldrama "The Grey", das von Donnerstag an in zahlreichen Hamburger Kinos läuft - aber schon heute in einigen Previews zu sehen ist. Allerdings sind die herrschenden Minustemperaturen für die Überlebenden eines Flugzeugabsturzes nur ein Problem unter vielen: Die Arbeiter einer Ölfirma befanden sich auf dem lange herbeigesehnten Flug in die Heimat, sie träumten schon von ihren Frauen und Kindern, von der Wärme behaglicher Wohnstuben, vielleicht auch nur von einer Nacht im Bordell, als die Maschine plötzlich in ein Schlechtwettergebiet gerät. Dann geht alles ganz schnell. Wo eben noch über die zunehmenden Turbulenzen gewitzelt wurde, herrscht plötzlich nacktes Entsetzen, fallen Atemmasken herunter, mischen sich Schreie der Todesangst mit schrillen Alarmsignalen aus dem Cockpit.

Nun sind die acht Männer, die den Absturz überlebt haben, ganz auf sich allein gestellt. Handys und Funkgeräte funktionieren nicht, die Nahrung ist knapp und der Flieger im weißen Nirgendwo heruntergekommen. Von Zivilisation keine Spur, dafür von riesigen Wölfen, die sich immer weiter nähern. Die nicht kommen, um zu fressen, sondern um zu töten - weil sich ganz in der Nähe der Absturzstelle ihre Höhle befindet, Menschen also in ihr Revier eingedrungen sind.

Nur gut, dass unter denen, die sich zu retten versuchen, auch John Ottway (Liam Neeson) ist: Der Einzelgänger, Wolfskenner und Scharfschütze war angestellt, um die Ölarbeiter vor wilden Tieren zu schützen. Zwar ist sein Gewehr jetzt unbrauchbar, doch der Mann weiß, was zu tun ist. Ein Feuer muss her, das Gepäck der Toten auf warme Kleidung durchsucht werden, und dann sind da in der Ferne auch Bäume, die Schutz vor den Angreifern bieten könnten. Also macht sich die Gruppe auf den Weg. Ein Weg, den nicht jeder zu Ende gehen wird ... Wer sich bedenkenlos den Alkoholvorräten aus der Bordbar hingibt oder in kleinlichen Streitereien verzettelt, hat jedenfalls keine großen Aussichten, mit dem Leben davonzukommen.

Mensch gegen Natur, das ist in Literatur und Film ein so bekanntes wie beliebtes Szenario. Was passiert, wenn Überlebensinstinkte geweckt werden, wenn das, was zuvor durch überlegene Technik beherrscht wurde, plötzlich gnadenlos zurückschlägt? Joe Carnahans Thriller findet darauf eine klare Antwort: Nur Alphatiere haben eine Chance. Wer zögert und sich von seinen Ängsten fesseln lässt, ist so gut wie tot. Survival of the fittest eben.

Dabei macht der Blick auf gruppendynamische Prozesse angesichts einer existenziellen Bedrohung aber nur einen Teil des Reizes von "The Grey" aus. Zumal manche der Charaktere (der Aggressive, der Einfühlsame, der Schweiger, der Ängstliche) eher holzschnittartig angelegt sind. Was überzeugt, ist das enorme Tempo, das die Geschichte aufnimmt, wenn erst einmal das Wolfsrudel ins blutige Spiel kommt. Da gibt es Szenen, die weit über dem üblichen Tierhorror-Niveau liegen und den Puls mächtig in die Höhe treiben. Kameramann Masanobu Takayanagi hat ebenso gute Arbeit geleistet wie das für den Schnitt verantwortliche Team Roger Barton und Jason Hellman - pures Adrenalin.

Für alle Fans von Liam Neeson ("Schindlers Liste", "Star Wars") ist der Film ohnehin Pflicht, denn wenn der gebürtige Nordire etwas wirklich gut kann, dann den in sich gekehrten Schweiger zu geben, der Taten sprechen lässt. Dass Neeson in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag feiert, ist ihm jedenfalls nicht anzusehen. Und wenn er sich irgendwann mit grimmiger Miene Glasscherben an die Schlaghand bindet, dann weiß auch der mächtige Leitwolf, dass dieser Mann kein leichtes Opfer abgibt.

"The Grey - Unter Wölfen" heute 20.00, Cinemaxx Dammtor; heute 20.10, Cinemaxx Harburg; heute 20.15, Cinemaxx Wandsbek, 117 Minuten, ab 16 Jahren, Karten zu 10,-/9,-; www.thegrey-film.de