Zu Ostern gastiert Kleists Lustspiel “Der zerbrochne Krug“ von der Wiener Burg mit einer prominenten Besetzung im Thalia-Theater.

Thalia-Theater. Die aberwitzigen Vertuschungsversuche von Dorfrichter Adam zählen zu den Glanzmomenten unzerstörbarer Komik in der Theaterliteratur. Auch Matthias Hartmann, Direktor am Wiener Burgtheater, hob Heinrich von Kleists Bühnenhit "Der zerbrochne Krug" (1806) im vergangenen Jahr in eigener Regie auf den Spielplan seines Hauses. Der Todestag des Dichters jährte sich zum 200. Mal, die Theater luden reihenweise zu Kleistinszenierungen, -adaptionen und -lesungen ein. Kleist, der Gefühlsextremist, war wieder gefragt wie nie.

Das Lustspiel verlangt ein sicheres Balancieren zwischen Momenten derber Komik und einem unterschwelligen Verhandeln von Aufrichtigkeit angesichts eines Dorfrichters, der über sich selbst zu Gericht sitzen muss, weil er als Nebeneffekt unlauterer Gelüste einen Krug zerschlagen hat.

Uneins wie selten zeigten sich die Kritiker nach der Wiener Premiere. Für die einen waten die komödiantisch erprobten Darsteller knietief durch die Bühnenschmiere und entwickeln sich in der grassierenden Besudelung zu Typen. Manchem fehlte eine klare politische Linie. Andere lobten Intelligenz und Amüsement des Abends. Am Ostersonntag und Ostermontag gastiert die hochkarätig besetzte Produktion im Thalia-Theater. Im Vorfeld seiner Regie hatte Matthias Hartmann verkündet, dass er den Dorfrichter als Symbol für einen an seinem Sessel klebenden Korruptionsbolzen hält, sogar Vergleiche mit Despoten wie Gaddafi bemüht.

+++ Für das Theater der Zukunft +++

Der gebürtige Hamburger Michael Maertens erwacht hier in der Rolle des Dorfrichters Adam nach einer offenbar wilden Nacht vielfach verwundet und übergibt sich erst einmal auf das unschuldige Weiß seines Bettes. Die keinesfalls unbesudelte Weste muss zum Aufwischen herhalten. Erst später wird offenbar, dass er des Nachts die junge Eve (Yohanna Schwertfeger) versuchte gefügig zu machen, indem er sie mit der Drohung, ihren Bräutigam Ruprecht (Peter Miklusz) zum Militärdienst einzuziehen, erpresste.

Zur spontanen Flucht genötigt, stürzte er den wertvollen Krug von Mutter Marthe (Maria Happel) um. Doch die schießt sich beim Gerichtstag auf den armen Ruprecht als Hauptverdächtigen ein. Der Krug wird für die Witwe zum Symbol, die Ehre der Tochter zu bewahren. Er mag auch die im Laufe der Gerichtsverhandlung auseinanderbrechenden menschlichen Beziehungen verdeutlichen. Die Spannung des Abends erwächst nicht aus der Frage "Wer war's?", denn für den Zuschauer sind die offensichtlich zerstreuten Manöver eine klare Sache. Kernmoment des Stückes ist das herrliche Herumlavieren des Schuldigen.

Die Inszenierung bedient sich einer klaren Symbolik. Das Unschuldsweiß des von Bühnenbildner Stéphane Laimé entwickelten Podestes wird mehr und mehr in Mitleidenschaft gezogen. Am Ende ist es von Schlamm überzogen. Ein Schlachtfeld der verdorbenen Sitten. Der Dorfrichter wird natürlich entlarvt. Als Zeugin Brigitte legt Therese Affolter einen skurrilen Auftritt hin. Sie entdeckt nicht nur Fußspuren von einem Fenstersturz, sondern auch die zurückgelassene Perücke des Amtsrichters. Die Beweise sind erdrückend, doch Adam entzieht sich seiner Strafe. Die Gesellschaft hat sich längst mit dem Lügenschlamm arrangiert. Die Wahrheitssuche ist schnell beendet, wenn ein Bauernopfer gefunden scheint.

Auch vor dem Jubiläumsjahr war "Der zerbrochne Krug" auf deutschsprachigen Bühnen ein gern gesehener Klassiker. Den Hamburgern dürfte die stringente Inszenierung des vor drei Jahren verstorbenen Jürgen Gosch am Schauspielhaus mit einem furios aufspielenden Thomas Dannemann im Jahr 2004 in bester Erinnerung sein. Beim ersten Hamburger Theaterfestival gastierte eine dagegen recht museale Variante von Regie-Urgestein Peter Stein aus dem Jahr 2008 mit einem vierschrötigen Klaus-Maria Brandauer, die sich am Berliner Ensemble noch immer im Spielplan hält. Bei Michael Maertens dürfte Adam keine massige Bestie abgeben, sondern einen Macher von heute, der sich alle Optionen offenhält. Neben Maertens liefert die Inszenierung auch Roland Koch als Gerichtsrat Walter herrliche Momente als Bürokrat im grauen Zwirn. Sein Erscheinen soll für eine ihren Lauf nehmende Gerechtigkeit bürgen. Die aber könnte hier im Schlamm versinken.

"Der zerbrochne Krug" So 8.4., 19.00, Mo 9.4., 20.00, Thalia-Theater (U/S Jungfernstieg), Alstertor, Karten zu 13,50 bis 66,- unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de