Das Werkstatt-Treffen Körber Studio Junge Regie bringt das Thalia in der Gaußstraße zum Brodeln

Hamburg. "Frei-heit, Frei-heit", skandierte, im Sound-Loop minutenlang zu hören, die Fanmasse eines Pop-Konzerts. Jeder Einzelne von ihnen versteht vermutlich darunter etwas anderes. Genau wie die etwas ratlos vor geschlossenem Tarnnetz-Vorhang lauschenden Besucher der Performance "Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker" beim Start des Körber Studios Junge Regie 2012 im Thalia in der Gaußstraße. Einige nahmen sich denn auch die Freiheit, den Saal zu verlassen.

Mark Schröppel und Philipp Karau vom Kollektiv Skart aus Gießen - zugleich auch die Performer - demonstrierten reichlich künstlerische und körperliche Freiheiten in ihrer satirischen Collage über die Befindlichkeiten der Deutschen zwischen Nazi-Vergangenheit und neoliberaler Gegenwart. Sie sprangen spielerisch mit den Idol- und Klischee-Bildern von rechts und links, von DDR und BRD um und demontierten sie respektlos. Nur mit Enten- und Froschkopf bekleidet, führten sie Ideologie-Dispute ad absurdum und outeten sich als Fans von Fritz Teufel - für das frech-fröhliche Duo der "Archetypus des Freigeists".

Die "Regiegeneration Zukunft" genieße im halböffentlichen Schutzraum der neunten, von Körber-Stiftung, Thalia-Theater, Universität Hamburg und Deutschem Bühnenverein ausgerichteten Werkstatt noch die Freiheit von Berufs- und Marktzwängen, sagte Thalia-Intendant Joachim Lux in seinem Grußwort. Er sprach aber auch vom Dilemma der Kultur, die im Kreuzfeuer der Kritik stehe und in Schutz genommen werde müsse, ansonsten ende die Gesellschaft in einer "nackten Katastrophe".

13 Produktionen von Kunsthochschulen sind an sechs Tagen zu sehen. Eine fünfköpfige Fachjury entscheidet in einer öffentlichen Schlussdebatte über den Gewinner im Wettbewerb, an dem diesmal auch die Amsterdam School of Arts mit der Inszenierung "Terrorism" teilnimmt. Der Preis ist eine Regie an einem Stadttheater oder eine Projektentwicklung, von der Körber-Stiftung mit 10 000 Euro unterstützt. Erstmals wird auch ein undotierter Publikumspreis ermittelt.

Von der scheinbaren Freiheit, seine Lebensträume verwirklichen zu können, denen jedoch eine harte Realität Grenzen setzt, erzählt Dominik Locher in seiner freien Dancefloor-Version von Horvaths "Kasimir und Karoline". Die getanzte, gesungene und gespielte Collage "Enjoy Violence" spiegelt die eigene Situation der Nachwuchskünstler, Aufstiegsehrgeiz, Lifestyle, Kunst- oder Sexfrust, verliert jedoch Fokus und Stoßkraft durch unnötige Intermezzi wie billige Zuschauerangriffe oder Talkshow-Parodien.

Dann lieber die bisweilen naive Radikalität des Skart-Kollektivs. Es bedient sich locker der Old-School-Formen wie Dada, Performance oder Punk, formuliert aber daraus eine neue, an bildender Kunst orientierte Sprache - gegen die Theaterkonvention. Schröppel und Karau berufen sich im Publikumsgespräch auf das Scheitern als Chance und zitieren Martin Kippenberger: "Mit Pubertät zum Erfolg." Sie übertragen die Montage-Prinzipien eines Jonathan Meese auf die Bühne und hauen dem Zuschauer ihren entwaffnenden Bubencharme um die Ohren. Auf die Frage, warum sie nur mit einem Frosch- beziehungsweise Entenkopf "bekleidet" auf die Bühne kommen, antworten sie: "Uns hat das Kostüm so am besten gefallen!" Ihr Stück ist ein mit ironischen Anspielungen aufgeladenes Bilder- und Wortpuzzle. Soll sich doch jeder denken, was er will. Wie der Kunst, sei auch dem Zuschauer alle Freiheit zugestanden. Noch.