Die Ausstellung “Stars im Stern“ des Fotografen Volker Hinz erzählt die Geschichte einer komischen Beziehung

Hamburg. Wenn ein Bild eine Geschichte erzählt, ist es gelungen, aber was ist dann ein Bild von Volker Hinz? Vielleicht kann man diese Frage nicht beantworten, vielleicht kann man sie nur sehen. Oder bemessen an der Länge des Schweigens, die sich einstellt, sobald man ein Hinz-Bild betrachtet. Denn egal, ob die Menschen darin nackt sind oder angezogen, ob sie herumkaspern oder stillhalten, sie sind immer sie selbst. Deshalb erkennt man sie manchmal nicht wieder. Es sind Sportler, Künstler und Schauspieler - oder ganz normale Menschen. Und viele Politiker. Helmut Schmidt, zum Beispiel, eine ganze Wand voll.

Hamburger Abendblatt:

Sie müssen Helmut Schmidt sehr verbunden sein, wenn er Sie solche Fotos machen lässt.

Volker Hinz:

Hm, das kann man so nicht sagen. Helmut Schmidt und ich pflegen eine eher komische Beziehung: Wir sprechen nicht miteinander, aber wir wissen umeinander.

Wie, Sie sprechen nicht miteinander?

Hinz:

Ja, so ist es. Wir sagen uns natürlich Guten Tag und verabschieden uns, aber dazwischen gibt es nur Schweigen. Einmal, das war zu seinem 90. Geburtstag, hat der "Stern" ein großes Porträt geplant, da war ich zwei Stunden lang mit ihm in einem Raum im Elysée-Hotel. Es kamen immer mal Leute herein, sagten Hallo, sprachen mit ihm, gingen wieder, und ich habe permanent fotografiert. Er hat mich nicht weiter beachtet, hat mich aber auch nicht hinausgeschmissen. Dabei ist eine außergewöhnliche Porträtserie entstanden, das schönste hängt in der Ausstellung. Ich weiß nicht, wie das ist, wenn er mich sieht - ob er dann zum Menschen wird. Wir sprechen ja nie darüber.

In der Tat eine komische Beziehung.

Hinz:

Ja, vor allem, weil ich das beste Bild von ihm leider verpasst habe. Das war auch an diesem Tag im Elysée, Helmut Schmidt kam zurück von einem Vortrag, den er gehalten hatte, zurück in den Raum, in dem ich gewartet hatte. Und dann gab es einen großartigen Moment: Schmidt setzte sich und zog mit dem gebogenen Ende seines Krückstocks den Aschenbecher zu sich heran - zack! Was für ein Bild. Aber ich stand hinter ihm, mit einer Kaffeekanne in der Hand. Ich wollte ihn gerade bedienen.

Wortlos.

Hinz:

Ja, natürlich. Wenn ich ehrlich bin, wurmt es mich immer noch. Ein verpasster Moment. Aber man muss dann weitermachen, vergessen. Es gibt ja nur die Bilder, die gemacht sind.

Das von ihm und seinem Vater, ist das zufällig entstanden?

Hinz:

Nein, das war für eine "Stern"-Geschichte. Unser Büroleiter hatte ihn gefragt, warum er Elbsegler trage, da sagte Schmidt, das habe sein Vater schon so gemacht. Die Idee war dann, die beiden für ein Foto zusammenzuführen. Also haben wir Schmidt abgeholt und sind mit ihm zu seinem Vater nach Rissen gefahren, ins Altersheim. Und da hatten die beiden ihre Mützen dabei. Auch so ein Moment, wo alles stimmte.

Ihr Porträt von Woody Allen ist zu einer Ikone geworden.

Hinz:

Das war im Atlantic-Hotel, 1994. Ich hatte ihn gebeten, den Finger auf die Lippen zu legen. Er wollte eigentlich nicht, er hasst ja Posieren. Dann hat er es doch gemacht. Jetzt habe ich mein Woody-Allen-Bild. Es wird nicht mehr besser.

Wie oft mussten Sie ihn bitten?

Hinz:

Nicht oft, da war schnell klar: Er macht es, oder er macht es nicht.

Gibt es eigentlich Grenzen der Unterwürfigkeit? Oder anders gefragt: Was würden Sie niemals tun, selbst wenn Sie dafür das perfekte Foto bekommen?

Hinz:

Wenn ich Menschen fotografiere, dann versuche ich ein Bild von ihnen zu machen, das mein Bild ist - das den Tag überlebt. Ich muss das Gefühl haben: Diesen Menschen brauche ich nie wieder zu fotografieren. Um so einen Moment zu bekommen, muss man sich als Fotograf oft etwas lächerlich machen. Man ist dann doch auch immer ein bisschen Harlekin und versucht seinem Gegenüber eine Emotion herauszulocken. Das ist ganz wichtig, vielleicht ist es sogar das Wichtigste, weil sie ja sonst nur dastehen und gucken. Leute machen oft ein "Fotografier-Gesicht".

Der Boxer Muhammad Ali, hat der auch ein Fotografier-Gesicht? Er war ja ein Meister der Posen ...

Hinz:

Nein. Es gibt ein Bild von ihm, das nenne ich perfekt: Das war kurz vor seinem Comeback-Versuch, 1984. Wir waren in L.A. und haben ihn begleitet. Beim Sparring trägt er einen schwarzen Gummianzug, um möglichst viel zu schwitzen, und im Gesicht hat er eine Creme, die das Wasser aus den Poren zieht. Deshalb ist es ganz gleichmäßig mit feinen Schweißperlen bedeckt.

Hatten Sie ein Fotostudio aufgebaut?

Hinz:

Nein, das ist ganz simpel fotografiert. Ich habe ihn einfach in die Tür zu seiner Villa gestellt, in meinem Rücken hatte ich das schöne, warme kalifornische Licht. Drinnen ist es dunkel, das sind ungefähr fünf Blenden Unterschied. Ich musste nur auf den Auslöser drücken. Ein ganz simpler Trick.

Die Ausstellung: "Stars im Stern", bis 26.4. im Foyer von Gruner + Jahr, Am Baumwall 11, täglich 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr, Eintritt frei

Das Buch: Stern Fotografie Nr. 76, "Volker Hinz: Aus dem Innersten des Stern", 96 Seiten, 18 Euro