“Take Shelter“ ist ein überragend gespieltes und besetztes Kinodrama, das verunsichert. Der Streifen überragt andere Endzeit-Filme.

Da braut sich etwas zusammen. Ein irritierter Blick in den Himmel reicht Curtis (Michael Shannon), um zu erkennen, dass einiges nicht stimmt. Dunkle, bedrohliche aufgeschichtete Wolkenberge türmen sich am Himmel, Blitze zucken, es donnert, dann fallen die ersten Tropfen: kein gewöhnlicher Regen, eine hellbraun-ölige Flüssigkeit. Ungläubig starrt Curtis seine verschmierte Hand an, riecht an ihr, geht unter die Dusche. Nicht nur um den Schmierfilm, auch um die Angst abzuwaschen. Die Angst vor dem, was da kommen mag.

Am nächsten Morgen kein Wort darüber zu seiner Frau Samantha (Jessica Chastain), die mit der tauben Tochter Hannah (Tova Stewart) am Frühstückstisch sitzt. Der Teamleiter einer Sandgewinnungsfirma im kleinstädtischen Ohio könnte über das seltsame Ereignis hinweggehen, würde er nicht auch noch von apokalyptischen Albträumen heimgesucht. Mal greift ihn darin der sich plötzlich wie besessen gebärdende Familienhund an, dann wieder tauchen schemenhafte Gestalten auf und entführen seine kleine Tochter, schließlich scheint ihm sogar die eigene Frau nach dem Leben zu trachten.

Stimmt wirklich etwas nicht, hat er etwa Visionen, die ernst zu nehmen sich als überlebenswichtig erweisen können? Oder spielt sich alles nur in seinem Kopf ab? Curtis beginnt, einen Tornado-Schutzraum im Garten so auszubauen, als stünde die Katastrophe unmittelbar bevor. Erst zum Ärger, dann zum Entsetzen seiner Frau, die miterleben muss, dass er dadurch gar die Arbeitsstelle verliert.

Doch Curtis zweifelt. Immerhin lebt seine Mutter seit Jahrzehnten im Pflegeheim, weil bei ihr paranoide Schizophrenie diagnostiziert wurde. Er besucht sie, fragt sie nach ihren damaligen Symptomen, wälzt psychiatrische Fachliteratur, begibt sich in Gesprächstherapie. Aber das Gefühl, dass tatsächlich etwas Schreckliches droht, will einfach nicht weichen. Die Frage ist bloß: Von wem geht die Gefahr aus? Vielleicht von ihm selbst?

An Endzeit-Filmen, die den Zusammenbruch gesellschaftlicher Strukturen thematisieren und um unbestimmte Zukunftsängste kreisen, herrscht im Kino schon seit Jahren kein Mangel. "The Road", "Stadt der Blinden", "Hell", "Contagion", "Perfect Sense", die Liste ist lang. Und Jeff Nichols' "Take Shelter" fügt sich nahtlos ein, nein überragt den Rest sogar, weil sein Film so viele Deutungsmöglichkeiten lässt, Erwartungshaltungen geschickt unterläuft, den Zuschauer in einem unbequemen Zustand des Nichtwissens aber Ahnens hält und nebenbei sensationell besetzt ist.

Natürlich glänzt zunächst einmal Michael Shannon, dessen Rücken sich immer mehr beugt, ob der Furcht, die auf ihm lastet. Der zu Boden starrt, mehr schweigt als redet - und tief verstört, als er, anscheinend dem Wahnsinn nahe, plötzlich mit einer prophetischen Wutrede seine Freunde und Nachbarn ebenso verängstigt wie seine eigene Familie.

Wie die kleine Tova Stewart sich da mit offenem Mund an ihre Mutter klammert, wie sie Schutz sucht und gar nicht versteht, was gerade passiert, das brennt sich ein. Und wie Jessica Chastain in dieser Szene zugleich Angst und Verunsicherung, Mitgefühl und Liebe in ihren Blick legt, wie sie ihren Mann tröstend umarmt und nach Hause bringt, das sagt viel aus über die Familie als letzten Ort der Zuflucht in einer Welt, der die Konstanten abhanden gekommen sind.

"Als ich im Sommer 2008 anfing, 'Take Shelter' zu schreiben, war ich gerade frisch verheiratet", erklärt Regisseur und Drehbuchautor Nichols. "Obwohl sich meine Karriere und mein Privatleben positiv entwickelten, hatte ich das nagende Gefühl, dass auf die Welt schwere Zeiten zukommen würden. Diese unbestimmte Angst hatte [...] damit zu tun, dass ich in meinem Leben etwas gefunden hatte, was ich nicht verlieren wollte." Diese Angst treibt auch Curtis, zwingt ihn zum Handeln, droht aber, außer Kontrolle zu geraten und ihn zu vergiften. Der Weltuntergang findet vielleicht nur in seinem Kopf statt, wer weiß. Doch ändert das etwas? Für ihn sicher nicht.

Bewertung: überragend

"Take Shelter" USA 2011, 125 Min., ab 12 J., R: Jeff Nichols, D: Michael Shannon, Jessica Chastain, tägl. im 3001, Abaton (OF), Streit's (OF, nur Do/Fr/Di), UCI Smart-City, Zeise; www.takeshelter-film.de