Das britische Belcea Quartet und das Pacifica Quartet aus den USA brillieren kontrovers. Was für ein Vergleich auf Champions-League-Niveau.

Hamburg. Kammermusikherz, was willst du mehr? Wenige Tage nach dem vierten Beethoven-Abend des Belcea Quartets kam das Pacifica Quartet aus den USA in die Kleine Laeiszhalle und hatte ebenfalls zweimal Beethoven im Gepäck. Ein spannender Vergleich. Und zwar ein Vergleich auf Champions-League-Niveau.

Auch die amerikanische Formation - 1994, im selben Jahr wie die Belceas gegründet - spielt so sauber und traumwandlerisch sicher, wie man es von einem Spitzenensemble erwarten darf; die Stimmen sind perfekt balanciert und homogen gemischt.

Fast noch wichtiger: Die vier Streicher haben durchaus auch den nötigen Biss für Beethoven. Im Kopfsatz des f-moll-Quartetts op. 95, der dem Hörer knappe, explosive Gesten von grimmiger Wut entgegenschleudert, knarzten die Saiten. Und auch im Presto-Finale von op. 59,2 packten die Interpreten richtig zu, ohne jemals grob zu werden - ebenso wie übrigens bei den Pizzicato-Attacken von Schostakowitsch, dessen zwölftes Quartett das Programm abrundete.

Ganz weich und kantabel dagegen die langsamen Sätze. Im Molto Adagio, einer innigen Trauermusik, ließen die Streicher ihre Instrumente singen, mit schier endlosen Bögen und edlem Ton. Ein Bad im sahnigen Legato-Klang, wirklich betörend - und darum vielleicht schon eine Spur zu schön, um wahr zu sein. Das Pacifica Quartet präsentiert Beethovens Quartette als makellose Kunstwerke, bei denen selbst die Ecken und Kanten noch auf Hochglanz poliert sind. Es knirscht zwar ab und an wirklich - aber immer ganz exakt abgezirkelt.

Die Belceas suchen stattdessen nach den Rissen in der Oberfläche, sie erforschen die emotionalen Brüche und legen ihre Finger in die Wunden der Musik.

In diesem Gegensatz treten die unterschiedlichen Auffassungen des Quartettspiels zutage: Das Pacifica Quartet stammt unverkennbar aus der amerikanischen Tradition und setzt im Zweifel auf großen Klang und ein sattes Vibrato, auch in ganz leisen Passagen. Das hebt die Musik auf den Altar der Perfektion und verklärt sie zur Reliquie eines weltentrückten Genies - während wir den Komponisten beim Londoner Belcea Quartet als Menschen aus Fleisch und Blut erleben. Mit all seiner Stärke, aber auch den Zweifeln und einer tiefen Verletzlichkeit.

Beides hat ganz sicher seine Berechtigung. Aber Beethoven war halt Europäer.