Die 1940 gegründete Hamburger Theatersammlung ist die größte ihrer Art in Deutschland - nun steht ihre Zukunft auf dem Spiel.

Hamburg. Die Hamburger Universität muss sparen. Es stellt sich nur die Frage: Wo geht es mit den geringsten Blessuren? Eine aktuelle Überlegung erscheint da besonders schmerzhaft: Derzeit prüft der Fachbereich Sprache, Literatur und Medien I der Universität Hamburg die Möglichkeit, die Theatersammlung an die Staatsbibliothek abzugeben.

Die 1940 gegründete Theatersammlung ist neben der Kölner Sammlung das größte Theaterarchiv samt Bibliothek in Deutschland. Als Spezialbibliothek enthält sie unter anderem Literatur zu den darstellenden Künsten, Informationen zum deutschsprachigen Theatergeschehen, vor allem aber auch Quellen zur Hamburger Theatergeschichte - darunter die Archive des Deutschen Schauspielhauses, des Thalia-Theaters und der Hamburger Kammerspiele. Fotografien, Programmhefte, Theaterzettel und Bühnenbildsammlungen, Plakate und ein umfangreiches Pressearchiv lagern hier. Sorgsam gesammelt, erschlossen und vermittelt von kenntnisreichem Personal. Gegenwärtig ist die Bibliothek nur nach Voranmeldung nutzbar.

Der Spareffekt würde sich daraus ergeben, dass die insgesamt vier Mitarbeiterinnen, die sich drei Stellen teilen, auf andere Institute verteilt würden. Fachbereichsleiter Bernhard Jahn sieht die Idee positiv: "Im Augenblick können die Bücher nicht über das Bibliothekssystem ausgeliehen werden. Der Zwang, erscheinen zu müssen, ist für die Benutzer unpraktisch. Außerdem gibt es in der Staatsbibliothek bessere technische Möglichkeiten, das teilweise empfindliche Material zu lagern." Er sehe das als Gewinn im Sinne einer Anpassung. "Die Studenten nutzen die Sammlung kaum und kennen sie nicht." Hahn setzt die Notwendigkeit, die Theatersammlung abzugeben, in Bezug zur seit vier Monaten vakanten Professur im Bereich Theaterforschung. Man könne sich nur eines leisten und müsse sich rückbesinnen auf die Kernaufgaben von Lehre und Forschung.

+++ Kommentar: Gedächtnis des Theaterlebens +++

Besorgt äußert sich hingegen Michaela Giesing, die seit über 20 Jahren die Theatersammlung leitet. "Es kommt mit der Staatsbibliothek ein anderer Verhandlungspartner ins Spiel, dessen Pläne mit der Sammlung stellen eine unbekannte Größe dar." Vor allem die weitere Pflege sieht sie gefährdet. "Die Theatersammlung ist das Gedächtnis des Theaters. Sie ist identitätsstiftend", so Michaela Giesing. "Mit diesem Alleinstellungsmerkmal könnte die Universität positiv arbeiten." Die Universität würde in zweifacher Hinsicht etwas Wesentliches aus der Hand geben. "Sie verliert die Möglichkeit, in der Öffentlichkeit zu wirken und zugleich hochinteressante Projekte mit ihren Studenten durchzuführen." Die Aufrechnung mit der Theaterprofessur hält Michaela Giesing für eine Scheinalternative. "Das eine geht doch gar nicht ohne das andere."

Oliver Huck, Dekan der Fakultät der Geisteswissenschaften, sieht die Pläne als gangbaren Weg, die sich aus dem Struktur- und Entwicklungsplan für die Jahre 2009 bis 2012 ergebenden Einsparsummen von mehreren 100 000 Euro einzuhalten. Überlegungen, die Theatersammlung mit anderen Bibliotheken zusammenzuführen, scheiterten an notwendigen baulichen Veränderungen. "Wir müssen unsere Aufgaben reduzieren. Mit dem Personal, das an den Sammlungen dranhängt, betreibe ich ganze Studiengänge", so Huck. "Jeder will Dienstleistung in Kultur und Wissenschaft, und keiner will sie bezahlen." Die Frage der weiteren Pflege sieht Huck nicht davon abhängig, an welcher Stelle sie angesiedelt ist. "Die Frage ist vielmehr, steht ein primär wissenschaftliches, öffentliches oder künstlerisch-kulturelles Interesse dahinter?", sagt Huck. "Die Funktion als Gedächtnis des Kulturbetriebs sehe ich im Bereich der Wissensbereitstellung des Kulturlebens verankert."

Doch ob eine Abgabe der Theatersammlung in andere Hände, also rechtlich ein Übergang von Eigentum, überhaupt möglich ist, steht noch nicht fest. Die Frage wird derzeit geprüft.