Hartmut Uhlemanns gelungene Inszenierung von “Blütenträume“ erweist sich an der Mundsburg als ein Komödien-Knaller mit Tiefgang.

Hamburg. Niemand will alt sein. Aber niemand entrinnt Alleinsein und Krankheit in "der nachberuflichen Lebensphase", wie der frühere Schuldirektor Friedrich das Rentenalter wertneutral bezeichnet. Er besucht einen Volkshochschul-Flirtkurs für Senioren in Lutz Hübners Komödie "Blütenträume". Sie wird durch sicheren Dialogwitz und Hartmut Uhlemanns souveräne Regie zum reinen Lachvergnügen für das Publikum im Ernst-Deutsch-Theater. Und überrascht nach der Pause mit einer Wendung zur Ernsthaftigkeit.

Unter der boulevardesken Oberfläche offenbart das amüsante Stück einen bitteren Wahrheitskern: Die romantischen "Kleinmädchenfantasien" von Liebe, die "Knabenmorgen-Blütenträume" (Goethe) der Jugend haben nichts mit dem wirklichen Leben gemeinsam. Nach der schiefgelaufenen Aufführung von Michael Frayns "Der nackte Wahnsinn" bieten der Regisseur und das glänzend aufgelegte Ensemble ein rundum geglücktes Beispiel für die schwierige und doch so leicht wirkende Kunst der Komödie - so man sie beherrscht.

+++ "Blütenträume": Alter schützt vor Liebe nicht +++

In der Seniorengruppe der einsamen Herzen ist der eitle weiß-graue Gockel Friedrich (Wolf Frass) für die bärbeißige Ex-Bibliothekarin Britta ein rotes Tuch. Doch die spitzzüngige Kratzbürste (wunderbar sarkastisch: Karin Nennemann) und der intellektuelle Lebemann mit Johannistrieb verbünden sich gegen den unerfahrenen Seminarleiter Jan und bringen den Flirtkurs 55+ in Raum 211 zum Kippen.

Eva Humburgs hübsch hässlicher, schräg über die Rampe ragender Seminarsaal in Weiß und Türkistönen, wird zum Schauplatz lächerlicher Übungen, peinlicher seelischer Selbstentblößung und schließlich von handgreiflichem Streit. Denn hier tobt nicht nur der Kampf um Liebe, sondern auch einer zwischen den Generationen. Die Best Ager fühlen sich vom flapsigen "Jungspund" und ungeübten Trainer Jan vorgeführt und gedemütigt. Hinter dessen Rotzigkeit entlarvt Georg Münzel die Unsicherheit eines gescheiterten Ex-Schauspielers, der sich unbewusst für seine Auftritte als "Müllgeist und Wolkenschaf" im Märchen rächt.

Stets lachend, gibt Ulrike Barthruff die rothaarige Gila mit Mutterinstinkt und Sexgelüsten, die sich um den Autolackierer Heinz (geradeheraus und herzensgut: Günter Rainer) kümmert. Die elegante Professorenwitwe musste ihren um 20 Jahre älteren, an Alzheimer erkrankten Mann bis zum Tod pflegen. Stumm und verschlossen spielt Gila von Weitershausen Frieda, vergräbt ihre Hände in den Taschen, signalisiert Abwehr, Leere und Skepsis. Frieda taut erst richtig auf ihrer Party auf, wo sich alle wiedersehen. Schnapsbeflügelt bekennt sie ihr Elend und geigt der selbstmitleidigen Julia (Maike Bollow) die Meinung. Die Maklerin auf steilen Pumps (Kostüme: Sabine Birker) ist die Jüngste, erfolgreich im Beruf, im Privatleben eine Katastrophe, und nervt mit ihrem Gejammer. Tischler Ulf (ein charmanter holzkundiger Philosoph: Wolf Aniol) entdeckt den Weltmann mit Hut in sich - und die Liebe zu Frieda.

Es macht Spaß, den Schauspielern zuzusehen, wie sie genau und subtil die gegensätzlichen Figuren charakterisieren, deren Aggressionen und Verzweiflung, die Versuche zu direkter oder indirekter Annäherung ausspielen. Humorvoll demonstrieren sie: Auch im Alter lohnt es sich, den Schritt aus der Einsamkeit in die Welt zu wagen.

"Blütenträume" bis 13. April, Ernst-Deutsch-Theater, Karten unter T. 22 70 14 20; www.ernst-deutsch-theater.de

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