Nina Hoss brilliert als verletzliche Ärztin in Christian Petzolds Drama “Barbara“. Gelungener Film über das perfide Spitzelwesen der DDR.

Wer ausreisen wollte, wurde bestraft. Das war in der DDR üblich. Barbara (Nina Hoss) wird strafversetzt. Von der Berliner Charité in ein kleines, schlecht ausgestattetes Provinzkrankenhaus in einem Kaff an der Ostsee. Sie hat mit dem System gebrochen und sie zeigt es. Die Kollegen bewerten ihr frostiges Verhalten als typische Berliner Arroganz, doch in Wahrheit ist das Auftreten der blonden Ärztin eine Mischung aus Stolz und Misstrauen. Es signalisiert den festen Willen, sich durch die alltäglichen Schikanen nicht brechen zu lassen. Gleichzeitig ist Barbara bewusst, dass jeder im Krankenhaus sie beobachtet und jeden nicht systemkonformen Satz, der ihr rausrutscht, an die Stasi weitergeben würde. Was weitere Repressalien nach sich ziehen würde.

Regisseur Christian Petzold zeigt diesen Terror, den das sozialistische Regime gegenüber seinen Bürgern ausgeübt hat, in menschenverachtenden Hausdurchsuchungen. Dann taucht der Stasi-Offizier Schütz (Rainer Bock) mit einen paar Schergen bei der Ärztin auf, lässt alles auf den Kopf stellen. Besonders unwürdig sind die Leibesvisitationen, die Barbara über sich ergehen lassen muss. Wenn die Stasi-Beamtin die Gummihandschuhe überzieht und die junge Frau in ihr Badezimmer drängt, dann weiß der Zuschauer, dass dieser perverse Staat selbst in den Körperöffnungen nach subversivem Material sucht. Doch mit einem stoischen Gesichtsausdruck erträgt Barbara diese staatlichen Übergriffe und träumt sich in diesen Momenten bereits in den Westen, wo ihr Geliebter wartet.

Zum fünften Mal spielt Nina Hoss die Hauptrolle in einem Film von Christian Petzold, und wieder dominiert sie ihn mit ihrer Präsenz und mit ihrem nuancierten Spiel. Im Laufe der Handlung verändert ihre Figur sich, sie taut langsam auf. Grund dafür ist ihr Kollege Andre (Ronald Zehrfeld). Er will sie im Auto nach Schichtende nach Hause fahren, er ist von einer zurückhaltenden Freundlichkeit, ein sympathischer und attraktiver Mann. Doch Barbara traut ihm nicht. Erst als er ihr zeigt, wie viel Engagement er in seine Arbeit legt, dass er selber Seren herstellt und wie er mit problematischen Patienten umgeht, geht eine Veränderung mit der zurückhaltenden Frau vor.

+++ DDR-Liebesdrama: Von Menschen, die wegwollen +++

Nina Hoss deutet diesen Umschwung manchmal mit einem Lächeln oder einer kecken Antwort an. Ganz langsam öffnet sie sich, denn sie spürt eine Menschlichkeit, die sie in dieser abweisenden Umwelt nicht erwartet hätte. Die beiden Protagonisten lassen es zwischen einander knistern, und durch diese sich extrem langsam anbahnende Liebesgeschichte nimmt "Barbara" eine überraschende Wendung. Immer noch möchte Barbara fliehen, der Plan, über die Ostsee zu verschwinden, ist bis ins Detail vorbereitet. Doch ihr kommen Zweifel.

Parallel zu Barbaras Geschichte hat Petzold einen zweiten Strang in das von ihm auch geschriebene Drehbuch eingezogen. Stella (Jasna Fritzi Bauer) ist ein junges Mädchen, das in einem Arbeitslager interniert ist und immer wieder mit vorgetäuschten Gebrechen in das Krankenhaus eingeliefert wird. Dann wird die scheinbare Simulantin mit Meningitis eingeliefert, außerdem ist sie schwanger. Barbara kümmert sich um sie und erfährt hautnah, dass es in dem System DDR auch Menschen gibt, denen es noch schlechter geht als ihr. Die Verantwortung für die junge Patientin ist ein weiterer Grund zu zweifeln, ebenso wie die Frage, ob in Westdeutschland wirklich die Erlösung liegt.

Mit "Barbara" ist Christian Petzold ein Film gelungen, der auf der einen Seite diese Atmosphäre der permanenten Bedrohung und des perfiden Spitzelwesens in der DDR zeigt, wie das auch Florian Henckel von Donnersmarck in "Das Leben der Anderen" dargestellt hat. Doch Petzold zeigt die DDR nicht nur als düsteres graues Land. Wenn Barbara mit dem Rad ans Meer, durch Wald und Wiesen fährt, wirken diese Sommerbilder wie eine farbenfrohe Idylle und stehen in krassem Kontrast zu der psychischen Befindlichkeit der Titelfigur. Hier in der Natur fühlt Barbara sich frei, hier lässt sie sich die Haare vom Wind zersausen, hier kann sie nicht bespitzelt werden. Auch der Tristesse des Krankenhauses setzt Barbara Farben entgegen. Sie schminkt sich den Mund rot und die Augen blau, so, als ginge sie zum Tanzen und nicht zur Arbeit.

Bewertung: empfehlenswert

"Barbara" D 2012, ab 6 J., 100 Min., R: Christian Petzold; D: Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Jasna Fitzi Bauer, Rainer Bock, täglich im Abaton, Passage; Internet: www.barbara-der-film-de