Kettcar konzertierte in der Großen Freiheit – noch fremdeln die Fans mit dem neuen Album. Und doch war irgendwie schön, bei Kettcar.

Hamburg. Es gibt genug Gründe, die Rockband Kettcar richtig schlimm zu finden. Die ewig raunende Stimme des Sängers Marcus Wiebusch. Den kumpeligen Habitus. Die komplette Unsexyness. Das Dröge, ganz und gar nicht Exzentrische. Das Hemdsärmelige. Das sozialdemokratisch Menschelnde. Die miefige Hamburgseligkeit. Die letzten beiden Alben. Den kitschigen Song "Balu".

Es gibt aber auch genug Gründe, die Rockband Kettcar richtig toll zu finden. Die ewig raunende Stimme des Sängers Marcus Wiebusch etwa. Oder den kumpeligen Habitus. Die komplette Unsexyness. Das Dröge, ganz und gar nicht Exzentrische. Das Hemdsärmelige. Das sozialdemokratisch Menschelnde. Die warmherzige Hamburgseligkeit. Die ersten beiden Alben. Den romantischen Song "Balu". Den übrigens spielte das Quintett bei seinen beiden ausverkauften Konzerten in der Großen Freiheit nicht mehr, wie sonst immer, am Schluss, sondern in der Mitte des Sets. Die Jungs, wusste Wiebusch zu erzählen, gingen früher immer schon mal vor - keinen Bock auf Liebeslieder. Die Mädchen dagegen schwelgten.

Der Plan, einer Aufteilung des Publikums vorzubeugen, ging allerdings schief: Plötzlich glimmten Wunderkerzen, und das ließ Wiebusch doch einigermaßen fassungslos zurück. Der gute Mann stimmte das Stück erst an, als das Leuchtwerk verlöschte. Wir sind hier ja nicht bei Pur, das sollte diese Verzögerung ausdrücken. Kettcar ist eigentlich, ganz klar, grundsätzlich das, was Pur nicht ist. Sieht man mal vom Pathos ab.

Kettcar ist das Coldplay des kleinen Mannes. Bei den Hamburgern fällt die Sprachbarriere weg, und so wurden bei den umjubelten Konzerten auf dem Kiez Hymnen wie "Landungsbrücken raus" und "Im Taxi weinen" energisch mitgesungen. Kettcar-Fans tragen oft Brille und Bier, und morgens müssen sie, wenn sie Pech haben, ins Büro. Wenn sie jung sind oder den Beat der Leistungsgesellschaft nicht spüren, müssen sie nur an die Uni. Können das aber auch bleiben lassen.

Mit den Songs des neuen Kettcar-Albums "Zwischen den Runden" fremdelte das Publikum. Der Kettcar-Sound ist ja etwas sanfter geworden mit den Jahren. Dabei sind sie dann am besten, wenn die Gitarren dengeln: "Kein Außen mehr", "Ich danke der Academy".

Mittlerweile ist der Bär aber gezähmt. Balu spielt öfter auch mal Akustikgitarre. Wiebusch ist ein Mann, der Wiegenlieder für Vierzigjährige singt. Die kommen sehr gut mit Geigen klar und schauen beim Fernbeziehungssong "48 Stunden" ("Und ein Kuss/Und ein Zug nach Berlin") aufs Smartphone. Könnte ja 'ne SMS kommen.

War irgendwie doch ganz schön, bei Kettcar.