Ausgerechnet Milch! Die greise Margaret Thatcher (Meryl Streep), schon altersdement, ist ihren Betreuern ausgebüxt. Sie genießt ihre kurze Freiheit und kauft in einem kleinen Lebensmittelgeschäft in London Milch, bevor sie, gebeugt und trittunsicher, wieder zurück in ihre Wohnung wackelt. Für britische Zuschauer ist die Filmszene anspielungsreich. Erstens, weil Thatchers Eltern selbst ein Lebensmittelgeschäft hatten. Und außerdem, weil Margaret Thatcher, bevor sie Premierministerin wurde, als Erziehungsministerin Anfang der 70er-Jahre die kostenlose Milch für Schulkinder abgeschafft hatte. Ehe ihr die Russen den Spitznamen "Eiserne Lady" verpassten, hieß sie in England schon "Thatcher, the milksnatcher" - die Milchdiebin.

Der Film "Die Eiserne Lady" läuft in Großbritannien seit Januar mit großem Erfolg und hat dort bisher mehr als zehn Millionen Pfund eingespielt. Einige Konservative fanden es würdelos, die verdiente Politikerin als demente Frau zu zeigen. Im linken Spektrum hingegen wurde eine zu weichgespülte Thatcher-Version befürchtet.

Wie sollte es auch anders sein? Keine Frau hat ihr Land so gespalten wie sie. Für die einen ist sie die bedeutendste Premierministerin des 20. Jahrhunderts noch vor Winston Churchill. Andere hassten sie für ihre Unerbittlichkeit und Kompromisslosigkeit. Die Punk-Revolution war schon vorbei - sie aber zeigte sich am liebsten mit Beton-Frisur, Perlenkette und Schlaufenblusen. Als U-Bahn-Fahrer über Bordlautsprecher 1990 ihren Rücktritt bekannt gaben, applaudierten viele Fahrgäste.

Schon ihre Wahl setzte Zeichen: Die Krämertochter, die in Oxford Chemie studiert und an der Softeis-Entwicklung mitgewirkt hatte, schaffte es an die Spitze der Tories, die damals dem alten Klassendenken verhaftet und keineswegs frauenfreundlich waren. Aber Thatcher war keine Frauenrechtlerin. "Ich hasse Feminismus. Das ist Gift", soll sie gesagt haben.

Bei ihrem Amtsantritt als Premierministerin 1979 lag das Land wirtschaftlich danieder. Der "Thatcherismus" steht für hemmungslose Deregulierung, Privatisierung, Schließung von staatseigenen Betrieben. Der ein Jahr dauernde Bergarbeiterstreik 1984, in dem sie sich unbeugsam zeigte, wurde zur Schlacht gegen die vormals starken und stolzen britischen Gewerkschaften. Danach waren sie nachhaltig geschwächt, die Arbeitslosenzahlen stiegen. "Margaret Thatchers politisches Erbe ist Spaltung und Konflikte", sagte Bob Crow von der Eisenbahngewerkschaft RMT.

Unter Thatcher gefror das soziale Klima in Großbritannien. "So etwas wie die Gesellschaft gibt es nicht", sagte sie in einem Interview. Kein anderer westlicher Regierungschef wagte einen derartigen Konfrontationskurs gegen Gewerkschaftsmacht und Subventionen. Bei Europas Konservativen erntete Thatcher Bewunderung: Erst sie habe Großbritannien saniert und in die Globalisierung gepuscht.

Mit dem Sieg Großbritanniens im Falklandkrieg 1982 wandelte sich die Stimmung der Briten, er belebte die Erinnerung an vergangene Empire-Zeiten. Wäre es nach ihr gegangen, hätte es 1989 allerdings keine deutsche Wiedervereinigung gegeben.

Wird Angela Merkels Karriere einmal ähnlich dramatischen Filmstoff hergeben? "Eiserne Lady"-Regisseurin Phyllida Lloyd fand überraschende Gemeinsamkeiten bei Thatcher und Merkel: "Beide sind ausgebildete Naturwissenschaftlerinnen, und beide hatten Väter, die Prediger waren."