Am Montag ist der Berliner Ausnahmeschauspieler Henry Hübchen 65 geworden. Die ARD gratuliert ihm mit der Komödie “Hoffnung für Kummerow“.

Ein Kritiker hat mal geschrieben, Henry Hübchen hätte "etwas Abgelatschtes". Ein größeres Kompliment war kaum möglich. Denn tatsächlich gibt dieser Mann den Charakteren, die er verkörpert, gern etwas Verbrauchtes mit. In solchen Rollen ist er am besten. Wenn er Typen spielt, die mit vergeblicher Munterkeit gegen die eigene Tristesse ankämpfen. In die Reihe dieser tragikomischen Helden passt auch Oskar Kubiczek.

Kubiczek ist Bürgermeister von Kummerow, einem Ost-Kaff, in dem nur noch die rumhängen, die den Absprung nicht geschafft haben. Vornehmlich in Oskars Kneipe, wo sie sich bei Gelegenheit den verwackelten Super-8-Film angucken, auf dem ihre einzige Großtat festgehalten ist: der Achtersieg bei der "Regatta der Befreiung". Kubiczek kann's nicht mehr sehen. "Ab sofort ist Schluss mit Depression und Selbstmitleid!" Der "Consultant" eines bayerischen Unternehmens sei im Anmarsch, der prüfen werde, ob Kummerow als Zulieferstandort für Kanufertigteile in Frage komme! Und dass es höchste Eisenbahn sei, das Dorf ein bisschen zu verschönern, damit der Mann den richtigen Eindruck kriege. "Wassersport", ruft Kubiczek den Kummerowern enthusiastisch zu, "ist doch unser Spezialgebiet." Einwände? Lässt Kubiczek nicht gelten. "Mit so 'ner Einstellung geht heute gar nichts!"

In natura hat Hübchen natürlich überhaupt nichts Abgelatschtes. Im Gegenteil. Wenn man nicht wüsste, dass der Berliner am Montag 65 Jahre alt geworden ist, würde man es nicht glauben. In Jeans, blütenweißem Hemd und Schnürstiefeln auf dem Hotelsofa sitzend würde Hübchen auch für 50 durchgehen. Dabei war er 1975 schon in Frank Beyers "Jakob der Lügner" dabei, dem einzigen Defa-Film, der je in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film für einen Oscar nominiert wurde. Nach der Wende, als er neben seiner Kino- und Fernseharbeit immer noch auf der (Volks-)Bühne stand - inzwischen war sein Dauer-Regisseur Frank CastorfIntendant -, haben ihn die deutschen Theaterkritiker ziemlich schnell zum Schauspieler des Jahres gewählt - 1994, als Castorf Heiner Müllers "Schlacht" mit der Theaterklamotte "Pension Schöller" kombinierte und die Leute über Hübchen Tränen gelacht haben.

Dabei hat er zunächst Physik studiert. Das schien ihm irgendwie naheliegend, vermutlich, weil der Vater Produktionsleiter in einem verstaatlichten AEG-Betrieb war. Student sein, ein bisschen das Leben kennenlernen, das habe ihm damals vorgeschwebt, sagt Hübchen. Dafür sei das Physikstudium als Voraussetzung natürlich das Verkehrteste gewesen. Irgendwann ist er dann an der Schauspielschule gelandet, an der seine Freundin eingeschrieben war. Braucht man zum Vorsprechen nicht eine gehörige Portion Mut? Hübchen überlegt. "Nein", sagt er dann, "aber vielleicht eine gewisse Gleichgültigkeit. Dass man bestimmte Dinge macht, weil man kein Problem damit hat, authentisch zu sein. Vielleicht hilft eine gewisse Ahnungslosigkeit."

Hübchens Blick fällt auf den Kugelschreiber, und er sagt: "Ich bin ein Bleistift-Schreiber, da kann man wegradieren." Überhaupt gehöre er im richtigen Leben zu denen, die nicht in Gefahr kommen wollten. "Irgendwie würde mich schon interessieren, wie man sich mitten im Polarmeer fühlt. So ganz alleine. Aber ich will nicht über den Atlantik segeln, und dann noch Einhand. Das sind bestimmt Erlebnisse, wo man was über sich erfährt, aber ich brauche einen doppelten Boden." Hübchen denkt nach. Bestimmte Sachen, sagt er dann, seien im Leben eben nicht so zu schaffen. "Dafür ist das Fernsehen ja eine wunderbare Erfindung! Ich hab zu Hause so ein tolles großes Ding, davor sitze ich dann auf dem Sofa und lasse mir erzählen, wie die Welt entstanden ist." Hübchens Handy klingelt. Seine Frau ist dran, um mitzuteilen, dass das große tolle Ding gerade kaputtgegangen ist. Die Situationskomik entgeht Henry Hübchen nicht. Er empfiehlt, einen Techniker zu beauftragen.

Er gehört zu den allerersten deutschen Schauspielern. Er hat Fernsehen in Serie gemacht - "Polizeiruf 110", "Commissario Laurenti" -, aber auch immer wieder Kinofilmen seinen Stempel aufgedrückt. Zum Beispiel Haußmanns "Sonnenallee", Levys "Alles auf Zucker" (dafür gab es 2005 den Deutschen Filmpreis) oder Dresens "Whisky mit Wodka". Wer Hübchen einmal erlebt hat, vergisst ihn nicht. Der Name tut ein Übriges. Henry heißt er, weil die Eltern Heinz und Hildegard etwas mit H gesucht haben. "Meine Mutter hat mir erzählt, dass sie eines Tages hörte, wie eine Frau rief: 'Henry, komm!'" Schön, dass man das jetzt auch weiß.

"Hoffnung für Kummerow" Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD