Der neue ARD-Vorabendkrimi “Morden im Norden“ aus Lübeck unterhält mit harmlosen Witzeleien und einer resoluten Assistentin.

Kulinarisch gesehen greift die Serie in die Vollen: Zur Willkommensparty wird selbst gemachter Heringssalat mit Mayonnaisendressing auf dem Revier serviert, in der Konditorei Kiesewetter gibt's zu jeder Stimmung das passende Tortenstück, die bedrohte Kugelkrabbe verfügt über eine sehr blonde, sehr einflussreiche Schirmherrin, die ihr zu Ehren eine Charity-Party ausrichtet. Und auch im Haar des Toten, einem Lübecker Marzipanfabrikanten, klebt, genau: fettes, süßes Marzipan.

"Morden im Norden" nennt sich die neue ARD-Serie, die Teil der im Oktober 2011 eingeführten Vorabendkrimimarke "Heiter bis tödlich" ist. Die Vorgabe: Krimis light sollen im regionalen Milieu erzählt werden - ähnlich wie der erfolgreiche Eifelschmunzler "Mord mit Aussicht" und der Krimidauerbrenner "Großstadtrevier". Die Zuschauerzahlen der drei bereits gestarteten Serien geben wenig Grund zur Freude, sie liegen bislang deutlich unter Senderschnitt: "Hubert und Staller" kommt auf durchschnittlich 7,4 Prozent, "Nordisch herb" auf 6,3 Prozent, "Henker und Richter" sogar nur auf 6,0 Prozent Marktanteil.

Auch die NDR-Produktion "Morden im Norden" interessiert sich weniger für die Suche nach dem Täter (der wird in der ersten Folge mit dem Titel "Der Marzipanmörder" nach simplem Ausschlussverfahren ermittelt) als für die zwischenmenschlichen Schwingungen auf dem Kommissariat. Da wäre Ingo Naujoks als bebrillter Chef der Truppe mit dem IQ einer Stehlampe; Tessa Mittelstaedt als Staatsanwältin mit Eisdolchblick, die nach ein paar Wein zu viel dem Charme ihrer Jugendliebe erliegt, und Veit Stübner als Depp vom Dienst, der die Topfpflanzen auf den Schreibtischen abstaubt und der Pensionierung entgegenfiebert. Im Mittelpunkt stehen der von Sven Martinek ("Der Clown") gespielte Heimkehrer Finn Kiesewetter und seine Assistentin Sandra Schwartenbeck (Marie-Luise Schramm).

Letztere ist eine Punktlandung - die einzige der Serie genau genommen. Während Martinek zum Grimassieren neigt, mit den Mundwinkeln zuckt, als hinge er am Angelhaken, spielt Schramm mit einer resoluten Unaufgeregtheit und stapft, die Hände in den Jackentaschen vergraben, vom Tatort am Timmendorfer Strand zur Mittagspause in die Bahnhofsvorhalle. Ihre Tatkraft verleiht dem Krimi den nötigen Schwung - ein Gegengewicht zu all den Witzeleien, die wirkungslos verpuffen, Anrempeln beim Kaffeeservieren etwa.

Hübsch anzusehen ist die von Marie Reiners ("Mord mit Aussicht") konzipierte Serie allemal, Lübeck zeigt sich von seiner sonnenbeschienenen Bilderbuchseite: Boote flitzen übers Wasser, Marktfrauen kurbeln die Markise aus, die Kirchendächer in Backsteingotik sehen aus wie frisch abgepudert. Ein Fleckchen heile Welt, könnte man meinen, wäre da nicht der auf seiner Yacht ermordete Fabrikant, ein Ekel wohlgemerkt, den nicht mal die eigene Frau leiden konnte, der Schwiegersohn kann sich sein Grinsen nur schwer aus dem Gesicht wischen. Sonnenbankteint, brombeerfarbenes Hemd plus Krawatte mit Blockstreifen - wer so aussieht, nämlich wie ein Knallbonbon, das von der Silvesterparty übrig geblieben ist, ist natürlich gleich verdächtig.

Viel Stoff für Eifersüchteleien, Liebeskummertränen, Gefühlsduseleien birgt die explosive Zusammensetzung des Reviers: Der Kriminaldirektor ist der Ex-Mann der Staatsanwältin, die wiederum die Jugendfreundin des neuen Kriminalhauptkommissars ist. Der kommt ein bisschen bindungsscheu daher, trägt links den geschulterten Seesack, in der rechten Hand einen Vogelkäfig, was ihn in die Verlegenheit bringt, auf die immergleiche Frage immer nicht zu antworten: "Was machst du mit dem Vogel? Du magst doch gar keine Vögel." Die alleinstehenden Tanten haben das Bett im Jugendzimmer (samt Kim-Wilde-Poster) hergerichtet, servieren Tee, und wenn sie könnten, sie würden die richtige Frau gleich mitbacken. Aber Kiesewetter stopft sich lieber mit Heringssalat voll und wacht am nächsten Morgen neben der Staatsanwältin auf. Mit Fischvergiftung.

"Morden im Norden" heute, 18.30 Uhr ARD, 16 Folgen, immer dienstags