Mit Shakespeare gewannen die beiden 80 und 82 Jahre alten Taviani-Brüder nach einem starken Wettbewerb den begehrten Goldenen Bären.

Berlin. Preise haben sie schon einige in ihrer langen Karriere gewonnen. Doch es liegt schon ein paar Jahrzehnte zurück, seit Paolo und Vittorio Taviani mit Trophäen für ihre immer hochpolitischen Filme ausgezeichnet worden sind. Insofern wirkt der Goldene Bär , der ihnen in diesem Jahr bei der Berlinale für "Cesare deve morire" (Cäsar muss sterben) von der Jury unter dem Vorsitz von Mike Leigh verliehen wurde, ein bisschen wie ein Ehren-Bär für ihr Lebenswerk, denn die beiden Italiener sind bereits 80 und 82 Jahre alt. Doch gefreut haben sich die beiden vitalen Filmemacher über die Ehrung wie kleine Kinder. Ähnlich wie vor ein paar Monaten in Venedig, wo Alexander Sokurow für die Verfilmung des "Faust"-Stoffes den Hauptpreis gewann, vergab auch die Berliner Jury die wertvollste Trophäe für einen klassischen Stoff: "Cesare deve morire" ist die Verfilmung von William Shakespeares Tragödie "Julius Caesar".

Der Theaterfilm der Tavianis beginnt mit dem Schlussapplaus und den glücklichen Gesichtern der Schauspieler. Doch dann tauchen Uniformierte auf und drängeln die Akteure von der Bühne. Brutus und Caesar, Marc Anton und Cassius sind Häftlinge - das Theater befindet sich inmitten des römischen Gefängnisses Rebibbia. Wenn die schweren Zellentüren zuknallen, sind die gerade noch gefeierten Shakespeare-Helden zurück in der Realität und der Einsamkeit ihres Arrests. Einer von ihnen sagt: "Seit ich der Kunst begegnet bin, ist diese Zelle für mich zum Gefängnis geworden." Die Qualität von "Cesare deve morire" liegt in der Unmittelbarkeit, mit der diese Laiendarsteller sich Shakespeares Text nähern, und der eigenen Erfahrungen, die diese Mörder und Mafiosi in die Ermordung des römischen Imperators einbringen.

+++ Berlinale-Bären +++

Auch andere Regisseure setzten auf Laien, die 15 Jahre alte Rachel Mwanza gewann sogar den Silbernen Bären als beste Darstellerin und gab Profis wie Nina Hoss, Birgit Minichmayr oder Isabelle Huppert das Nachsehen. Mwanza wurde auf den Straßen von Kinshasa für den kanadischen Film "War Witch" entdeckt. Regisseur Kim Nguyen beschreibt darin das Leben der traumatisierten Kindersoldatin Komona, die von Rebellen entführt und gezwungen wird, ihre Eltern zu erschießen. Nguyens Film ist nur schwer auszuhalten, weil er die maßlose Gewalt der Bürgerkriege in Afrika und den perversen Missbrauch dieser Kindersoldaten wieder in unser Bewusstsein rückt.

Auch der ungarische Regisseur Bence Fliegauf hat für seinen aktuellen Film mit Laien gearbeitet. Seine Schauspieler hat er in abgelegenen, nur von Roma bewohnten Dörfern gefunden. "Just The Wind", ein auf Tatsachenbasierender Film über die Überfälle und die Ermordung von Roma, die sich in Ungarn 2008 und 2009 ereignet haben, hat die Wucht und die Qualität für einen Berlinale-Gewinner.

Immerhin sprachen Mike Leigh und seine Mitjuroren Fliegaufs einfühlsamem Porträt einer Roma-Familie den Großen Preis der Jury zu. "Just The Wind" zeigt erschreckende Beispiele für den Rassismus, dem die Volksgruppen der Sinti und Roma nicht nur in Ungarn ausgesetzt sind. Daraus nährt sich diese Pogromstimmung, der in Ungarn sechs Unschuldige zum Opfer fielen.

+++ Kosslick hat alles richtig gemacht +++

Als Mitfavorit um den Goldenen Bären wurde bis zum Schluss Christian Petzolds DDR-Drama "Barbara" mitNina Hoss in der Titelrolle gehandelt. Am Ende musste Petzold sich mit dem Silbernen Bären für die beste Regie begnügen, und es wurde wieder nichts mit einem deutschen Berlinale-Gewinner. Zuletzt triumphierte hier Fatih Akin 2004 mit "Gegen die Wand". Nina Hoss brilliert in der Rolle einer strafversetzten Ärztin, die mit kühler Distanz und eiserner Selbstbehauptung die Schikanen der Stasi und das Klima der Bespitzelung erträgt. Auch sie wäre eine würdige Gewinnerin des Silbernen Bären gewesen.

Petzolds "Barbara" ebenso wie Mathias Glasners "Gnade" oder der dänische Beitrag "Eine königliche Affäre" (mit zwei Silbernen Bären für das beste Drehbuch und für Mikkel Bo Følsgaard als besten Darsteller ausgezeichnet) sind Beispiele für anspruchsvolles Kino und Gegenbeispiele für die Kritik, die Doris Dörrie öffentlich an den Berlinale-Machern geübt hat. Die Regisseurin hatte kritisiert, dass im Wettbewerb vor allem Filme laufen, die nicht für, sondern gegen das Kinopublikum gemacht zu sein scheinen. Doris Dörrie aber kann froh sein, dass ihr neuester Film "Glück" nur in einer Nebenreihe gezeigt wurde. Ihre aufgeblasene und langatmige Verfilmung einer im Original pointierten Kriminalstory des Bestseller-Autors Ferdinand von Schirach wäre des insgesamt starken Wettbewerbs dieser Berlinale nicht würdig gewesen.