Die Amerikanerin Deborah Voigt hat schwere Zeiten hinter sich. Am Wochenende tritt sie gemeinsam mit den Symphonikern auf.

Laeiszhalle. Die Sehnsucht nach Aufmerksamkeit treibt manchmal schauerliche Blüten. "Heroin in concert" nennen die Hamburger Symphoniker die beiden Abende jetzt am Wochenende mit der amerikanischen Sopranistin Deborah Voigt als Gast. Gut, Voigt singt eine Art Heldin, die Brünnhilde aus Wagners "Ring des Nibelungen". Doch für die Heroine fehlt das E am Ende. Und dass Wagners Musik oder Voigts Stimme so berauschend und Leben zerstörend sein soll wie Heroin: Dieser Werbequatsch ist irgendetwas zwischen makaber und grobem Unfug.

Umso mehr, als Suchtverhalten der Sängerin keineswegs fremd ist. Bis vor acht Jahren wog sie rund 120 Pfund mehr, als sie heute auf die Waage bringt. Deborah Voigt, seit den 90er-Jahren vor allem als Strauss- und Wagner-Interpretin gefeiert, wurde im Frühjahr 2004 vom Regisseur einer Opernproduktion am Covent Garden in London gefeuert, weil sie partout nicht in das kleine Schwarze passen wollte, das er ihrer Rolle zugedacht hatte. Viele Fans heulten auf, als sie erfuhren, dass Voigt sich kurz darauf der riskanten Operation einer drastischen Magenverkleinerung unterzog, um ihr Essverhalten endlich unter Kontrolle zu bekommen.

"Das habe ich nicht wegen des Rauswurfs beim Royal Opera House gemacht", versicherte die Sängerin dem Abendblatt beim Gespräch vor der ersten Probe mit Jeffrey Tate in der Künstlergarderobe der Laeiszhalle. "Meine Knie taten dauernd weh, ich war immer müde und hatte es so satt, immer dieses Gewicht mit mir herumzuschleppen."

Da die Sängerin einen Vertrag mit dem Covent Garden hatte, konnte sie in der unfreiwilligen Freizeit sowohl die Operation vornehmen lassen als auch die Kosten dafür von der Gage für die nicht gesungene Partie bestreiten. Darüber huscht noch heute so etwas wie grimmige Freude über das sonst so offene, freundliche Gesicht der Sängerin, die die Welt aus sehr hellblauen Augen betrachtet. Sie trägt kaum Schmuck, die Fingernägel sind transparent lackiert, die Antworten kommen geradeheraus. Kapriziös geht anders. Frau Voigt scheint durch genug Unbilden gegangen zu sein, um Starallüren entbehrlich zu finden.

In Hamburg singt sie den Schlussgesang der Brünnhilde aus der "Götterdämmerung". Voigt kennt weder das Orchester, noch hat sie je mit dessen Chefdirigent Jeffrey Tate zusammengearbeitet, der aus dem "Ring"-Finale ein knappes, konzertantes Best-of geschmiedet hat. Die Partie allerdings kann sie locker aus dem Kurzzeitgedächtnis abrufen. Denn als Brünnhilde gab sie in der hoch technisierten, 16 Millionen Dollar teuren "Ring"-Inszenierung des Theatermagiers Robert Lepage an der Met im April vergangenen Jahres ihr Rollendebüt, und der "New York Times" zufolge steigerte sie sich dort von der "Walküre" über den "Siegfried" bis zur "Götterdämmerung", die erst Ende Januar Premiere hatte, kontinuierlich.

Opern-Aficionados bei YouTube liefern sich seit Voigts erfolgreicher Operation erbitterte Wortgefechte, ob die Diva von einst nun auch stimmlich zum "shrinking soprano" (Schrumpfsopran) geworden sei oder nicht. Viele jammern, die herrliche Süße ihres Gesangs sei dahin. "Ich musste nach dem Gewichtsverlust tatsächlich neu singen lernen", erzählt Voigt. "Ich habe wieder Unterricht genommen, und es hat eine Weile gedauert. Aber inzwischen, glaube ich, ist die Stimme wieder da. Und ist es nicht die Entwicklung einer Karriere, die einen Künstler interessant macht?"

Hamburger Symphoniker & Deborah Voigt Sa/So 18./19.2., jew. 19.00, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Tickets zu 8,- bis 42,- unter T. 44 02 98