Autor Frank Schulz liest im Literaturhaus aus seinem aberwitzigen und figurengetriebenen Roman “Onno Viets und der Irre vom Kiez“.

Literaturhaus. Vor zwei Jahren in seiner Schreibklause in Eimsbüttel - Frank Schulz hatte gerade seinen Story-Band "Mehr Liebe" veröffentlicht - erzählte er bereits von Onno. Von Onno Viets, dem spleenigen Hängertypen, mit dem Schulz die Tage verbrachte. An der Wand: eine Art Roman-Plan, Arbeitstitel: "Schupf, Onno, schupf".

Jetzt, da "Onno Viets und der Irre vom Kiez" auf dem Markt ist, wissen wir: Die Handlung ist aberwitzig. Mit einer unwahrscheinlichen Szene, in der ein nackter und ganzkörpertätowierter Riesenkerl über den Jungfernstieg brettert - auf Verfolgungsjagd nach einem Mann, der es gerade noch auf den kleinen Ausflugsdampfer (die "Saselbek") schafft, um auf große Fahrt zu gehen. Von der Binnen- auf die Außenalster. Der Hüne klaut sich ein Gelände-Motorrad, karriolt in Richtung Außenalster, hebt auf seiner Enduro ab und platscht ins Wasser. Dann hievt er sich an Bord. Es kommt zum Showdown mit dem Verfolgten. Das ist natürlich Onno.

Der ewige Onno, der wie sein rabiater Gegenspieler, Tibor Tetropov, genannt "Händchen", das Zeug zur mythischen Figur hat. Schulz hat in seinem bisherigen Werk schon andere einprägsame Figuren geschaffen: Kolk zum Beispiel, in "Kolks blonde Bräute", und Bodo Morten, den Helden in "Morbus Fonticuli" und "Das Ouzo-Orakel". Schulz ist, auf gewisse Weise, Hamburgs bester Heimatdichter. Seine Prosa ist durchtränkt von norddeutscher Mundart, seine Geschichten spielen an Elbe und Alster.

Gemeinsam ist seinen Figuren die enervierte Weltabgewandtheit und das Künstlerhafte: Wir treffen sie auch bei Onno, über 50, Hartz-IV-Empfänger, Tischtennisspieler und Sopranos-Fan. Viets ist ostfriesischen Ursprungs und lebt mit seiner Frau Edda, einer Kindergärtnerin, in einer Altbauwohnung. Edda ist nicht zufällig das, was sie ist; sie muss sich um Onno kümmern, als wäre er ein Kleinkind. Denn der kann, wie auch seine Freunde wissen, wirklich gar nichts - außer gut zuhören. Und mit einem Male ist er Detektiv. Jedenfalls beschattet er eines Tages die Freundin des Popmagnaten Nick Dolan, weil die diesen angeblich betrügt. Der Nebenbuhler des scheelen Hamburger Popstars ist Kraftprotz "Händchen", die rechte Hand eines Kiez-Oligarchen.

Der Gute ist in diesem Roman nicht nur gut, der Böse nicht nur böse. Deswegen wird der Leser, so sehr er sich für Onno einnehmen lässt, auch ein bisschen sauer auf ihn. Schulz' Krimi folgt keiner Blaupause.

Der norddeutsche Epiker hat keinen wirklichen Krimi geschrieben. Zumindest nicht im Hinblick auf den Spannungsbogen, den ein Krimi oder ein Thriller zu haben pflegen. Die Frage nach dem "Wer war es?" stellt sich nicht. "Onno Viets und der Irre vom Kiez" ist figuren-, nicht handlungsgetrieben. Der Roman lebt von seinen bizarren Typen, er ist ein unterhaltender Fast-Krimi mit Hamburg-Gütesiegel, der gängige Genre-Regeln unterläuft.

Das Ende (der Erzähler gibt es ja in Teilen schon zu Beginn von Onnos Abenteuer preis) wirkt fast ein bisschen zu prosaisch. Das Gerüst des Romans wankt, als hätte jemand ein Verbindungsteil entfernt, aber es fällt nicht. So wie Onno Viets, der (Anti-)Held und Müßiggänger.

Frank Schulz: "Onno Viets und der Irre vom Kiez". Galiani. 368 S., 19,99