Als Hamburger Jung eroberte sich Edgar Bessen die Herzen des Publikums. Der Star des Ohnsorg-Theaters ist am 2. Februar gestorben.

Hamburg. Der Name von Publikumsliebling Edgar Bessen ist eng mit dem Ohnsorg-Theater verknüpft. Der am 2. Februar im Alter von 78 Jahren verstorbene Schauspieler gehört zweifellos mit Heidi Kabel und seinem Onkel Henry Vahl in die Galerie der beliebten Hamburger Volksschauspieler. Was aber seine Fans doch immer wieder überraschte, war Bessens Überzeugungskraft als "ernsthafter Künstler" und wandlungsfähiger Charakterdarsteller bis ins hohe Alter. Er meisterte Klassiker und tragikomische Rollen der modernen Dramatik ebenso bravourös wie Figuren in Komödien, Schwänken und zuletzt sogar Musicals - wie den Pastor in "Sister Soul" am Altonaer Theater oder in der Operettenhaus-Show "Ich war noch niemals in New York". Als rüstiger Rentner Otto Staudach beging Bessen 2010 auch sein 50. Bühnenjubiläum.

Eine lange Krankheit ist dem 1933 geborenen Hamburger erspart geblieben. Er hat die Eröffnung des neuen Ohnsorg am Heidi-Kabel-Platz noch als hellwacher Besucher miterlebt und gefeiert. Zeitlebens war er für das Ausprobieren von anderem und begrüßte auch den Neustart seines Stammhauses, an das er zur 100-Jahr-Feier wieder als Gast zurückgekehrt war. Am Donnerstag letzter Woche ist Edgar Bessen zu Hause gestorben. Er ging am Abend zu Bett und ist am nächsten Morgen nicht mehr aufgewacht.

Als einen Mann des Volks würdigt ihn Ohnsorg-Intendant Christian Seeler. "Vielleicht weil Edgar gelernter Tischler war, ist er immer bodenständig geblieben." Bessen gehörte bis 1979 zu den gefeierten Stars des niederdeutschen Theaters, gab den Naturburschen vom Dienst und mit Heidi Mahler das jugendliche Traumpaar. "Durch seine Bodenhaftung hat sich Bessen eine hohe Authentizität bewahrt", meint Seeler, dem es gelungen war, Bessen 2002 zum Ohnsorg-Jubiläum zurückzuholen. Er spielte im Schwankklassiker "Wenn de Hahn kreiht" von August Hinrichs den listigen Graukopf Jan Kreyenborg. 1975 war er im selben Stück noch der vergeblich verliebte Tollpatsch Gustav gewesen. Friedrich Brammer in "Mien Mann, de fohrt to See" war 2008 dann seine letzte Ohnsorg-Rolle.

"Man kann überall gutes Theater machen", gab Edgar Bessen einmal zu Protokoll. "Wenn ich Theater spiele, fühle ich mich wohl. Ich experimentiere gerne." Er hat das nicht nur so dahingesagt. Denn Bessen war ein ernsthafter Mann. Er meinte, was er sagte. Sein Credo hatte er mit der Aufgabe des sicheren Ohnsorg-Postens in die Tat umgesetzt, spielte als Gast oder Ensemble-Mitglied auf mehreren Hamburger Bühnen. Nach 19 Jahren an den Großen Bleichen trat Bessen 1980 in den Kammerspielen auf, danach in Gerda Gmelins Theater im Zimmer. Er stürzte sich in Charakterfiguren wie Vater Fessen in Bronnens expressionistischem Drama "Vatermord". Für Furore sorgte der "Ohnsorg-Jung" in Christoph Roethels Inszenierung von Martin Shermans KZ-Stück "Bent". Bessen spielte den schwulen Juden Max. Die schwierige "Kontrastrolle" hat er ebenso bravourös mit seiner schlichten, auf Wesentliches konzentrierten Menschendarstellung gemeistert wie später Figuren in Kleist- oder Shakespeare-Stücken.

+++Hamburger Volksschauspieler Edgar Bessen gestorben+++

Als Polonius in "Hamlet" am Altonaer Theater wagte er nach der Szene als gestrenger Papa mit Ophelia, nun allein auf der Bühne, ein versonnenes, leichtfüßiges Tänzchen. Diesen Moment hat Regisseur und Altona-Intendant Axel Schneider noch immer vor Augen. Er schätze Bessen als Künstler wie auch als Menschen sehr. "Ich habe ihn als fairen, integren und wohlwollenden Kollegen erlebt", sagt Schneider. "Er hat sich nie auf sein Können verlassen, immer an sich und einer Produktion hart gearbeitet. 99-mal hat er 'Der Freund des Präsidenten' auf Tournee gespielt - und war stets präzise und diszipliniert." Zum 70. Geburtstag spielte Bessen in Altona Tankred Dorsts Verzweiflungssolo eines Mimen "Ich, Feuerbach" und wurde nach der Premiere der Feydeau-Farce "Die Katze im Sack" mit der Biermann-Ratjen-Medaille geehrt.

Auch ein kurzes Zwischenspiel am Schauspielhaus gab Bessen von 1984 bis 1986. "Dem Zadek war ich wohl zu spießig", kommentierte er später selbstironisch seinen Abgang - und ging ans andere Alsterufer zum Thalia-Theater, wo er zwischen 1990 und 1998 fest zum Ensemble gehörte. Aber seinem Credo gemäß probierte er sich als Rezitator bei Lesungen aus wie auch im Fernsehen und Film. Er versuchte sich als Moderator, stand für Hark Bohm und Reinhard Hauff vor der Kamera, spielte in "Tatort"-Folgen und mit Uwe Friedrichsen in der legendären "Schwarz Rot Gold"-Serie den Zollfahnder Globig.

Biedermänner konnte Bessen perfekt, gerade weil er alles andere als ein Biedermann war. Auch wenn er sich unscheinbar und zurückhaltend in der Öffentlichkeit gab, weil ihm Starruhm und Rummel um seine Person missfiel. Doch nach einer Premiere oder auf Tournee konnte er aus sich herausgehen. "Wir haben halbe Nächte zusammen durchgelacht", erinnert sich Seeler wehmütig. "Dann unterhielt er uns mit seinen köstlichen Anekdoten." Auf der Bühne schien der Schauspieler jedoch wie ausgewechselt zu sein. Da versprühte Edgar Bessen seinen Charme, eroberte mit trockenem Humor und pointiertem Witz das Publikum. Es wird seinen schalkhaften Blick, das verschmitzte Lächeln und den herzenswarmen Humor nicht vergessen.