Die Figurenstillleben des norddeutschen Künstlers und ihre Vorbilder stehen im Mittelpunkt einer Ausstellung im Barlach-Haus.

Hamburg. In diesem Jahr begeht das Ernst-Barlach-Haus im Jenischpark seinen 50. Geburtstag. In die Jubiläumssaison startet das von der Hermann-Reemtsma-Stiftung getragene Museum mit einer Ausstellung, in der Direktor Karsten Müller seinen Anspruch einmal mehr bekräftigt, "Klassiker der Moderne vorzugsweise in ihren weniger bekannten Facetten vorzustellen". Emil Nolde (1867-1956) gilt gewiss als einer der populärsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts und garantiert daher großen Publikumszuspruch. Trotzdem ist der beliebte Norddeutsche jenseits seiner allzu oft gesehenen Motivgruppen noch für Entdeckungen gut wie die aktuelle Ausstellung "Emil Nolde. Puppen, Masken und Idole" beweist.

Gezeigt werden jene Figurenstillleben, die Nolde von etwa 1912 bis 1929 in immer wieder neuen Varianten und Zusammenstellungen malte. Bereits 1971 hatte das Ernst-Barlach-Haus Emil Noldes "Ungemalten Bildern" eine seiner ersten Sonderschauen gewidmet.

Wie viele andere expressionistische Maler war auch Nolde von der "primitiven Kunst" afrikanischer und überseeischer Ethnien fasziniert. Von 1910 bis 1912 ging er häufig ins Berliner Museum für Völkerkunde, um Masken und Figuren aus dessen Vitrinen zu zeichnen. 35 dieser Blätter bilden den Auftakt der Ausstellung, in der schon bald deutlich wird, wie wichtig dieser Fundus an Formen und Figuren für Noldes späteres Werk werden sollte.

Doch der Maler sah sich die Ethnologica nicht nur im Museum an, er umgab sich auch gern damit und wurde daher zum leidenschaftlichen Sammler. In einer großen Vitrine sind etwa 100 Objekte aus seinem Besitz zu sehen: chinesische Bronzetiere, friesisches Steinzeug, No-Masken aus Japan, etruskische Terrakotten, Schattenspielfiguren aus Java, altägyptische Statuetten oder Kultfiguren aus Papua-Neuguinea. Dieses private Völkerkundemuseum, dessen Bestände in der Nolde-Stiftung Seebüll erhalten geblieben sind, trug der Künstler weitgehend ohne ethnologisches Interesse zusammen, ihm ging es vielmehr um die Zeugnisse der "seltsamen, herben Volks- und Urkunst der Naturvölker", die er aber in seinen Bildern gern mit europäischer Volkskunst oder Manufakturware konfrontierte. Einen großen Teil der Objekte erwarb Emil Nolde auf einer Südseereise, die ihn in Begleitung seiner Frau Ada 1913/14 über Russland, Korea, Japan, China und Hongkong bis in das damalige Deutsch-Neuguinea führte. Eine wissenschaftliche Systematik liegt der Sammlung nicht zugrunde, stattdessen suchte der Künstler nach Beziehungen und Verwandtschaften, Reibungen und Spannungen über alle kulturellen Grenzen hinweg.

So konnte er das Ur-Thema der Beziehung von Mann und Frau sowohl in Porzellanfiguren des englischen Herrscherpaares Victoria und Albert als auch in weiblichen und männlichen Figuren aus Java entdecken.

Emil Noldes im Barlach-Haus fast wie eine Kunst- und Wunderkammer präsentierte Puppen- und Maskensammlung bietet jetzt außerdem den Ausgangspunkt für eine höchst reizvolle Entdeckungsreise durch die Ausstellung, denn viele dieser Objekte tauchen auf den Bildern wieder auf. Etwa die Porzellanpuppen von Victoria und Albert auf einem Gemälde von 1913 oder eine Buddha-Figur auf einem Stillleben mit Löwenmaul von 1917.

Die Sammlung wie die Stillleben, für die Nolde sie immer wieder als Vorbild nutzte, zeugen von einer großen Wertschätzung der außereuropäischen Kunst, deren Ursprünglichkeit er besonders schätzte. Er scheute sich nicht, sie mit den Zeugnissen europäischer Kultur oder auch mit eigenen Werken zu verbinden, so malte er chinesische Figuren und melanesische Masken auf einer farbigen Decke, die Ada Nolde nach seinen Entwürfen gewebt hatte.

"Emil Nolde. Puppen, Masken und Idole". bis 28.5., Di-So 11.00-18.00, Fr, Sa bis 21.00, Ernst-Barlach-Haus/Jenischpark (S Klein Flottbek), Baron-Voght-Str. 50a, Eintritt 6,-/erm. 4,-