Der dritte Teil der ZDF-Krimireihe “Stralsund - Blutige Fährte“ überzeugt mit Katharina Wackernagel als zupackende Kommissarin Petersen.

Der Täter stellt sich gleich in den ersten Filmminuten vor. Dass eine solche Dramaturgie die Spannung nicht zwingend schwächt, haben viele Krimis bewiesen, darunter Hitchcocks Meisterwerk "Frenzy" und zuletzt der großartige NDR-"Tatort: Borowski und die Frau am Fenster", in dem Sibylle Canonica als somnambule Tierärztin und Mörderin bestach.

Auch in "Stralsund - Blutige Fährte", dem dritten Teil der ZDF-Krimireihe, brodelt der Wahnsinn des Täters unter einer auf Hochglanz polierten Oberfläche. Boris Gerg (Manuel Rubey) ist ein Kerl in den Dreißigern mit Samtaugen, Kaschmirmantel und jener Art von kunstvoll verwuschelter Frisur, die auf einen extrem teuren und hippen Friseur schließen lässt.

Eine gute Partie, würden Schwiegermütter beim Kandidatencheck sagen. In Wahrheit ist dieser Merg ein Frauenmörder, der seine Opfer in einer Partnervermittlungsagentur ausgemacht hat. Einer, der Frauen in Heilige und Schlampen teilt und sie für sein Lebensunglück und die Stimmen im Kopf verantwortlich macht. Um zu erkennen, wie krank dieser Mann ist, muss man schon länger hinsehen; beobachten, wie er auf dem Stuhl umherrutscht und seine Stimme ganz rau und kratzig wird, als hätte er einen Teil von ihr gestern im Fußballstadion gelassen.

Aus dieser Ausgangslage entwickelt Regisseur und Autor Martin Eigler den stimmlich getragenen, sehr sehenswerten Film, der einmal mehr davon erzählt, wie ein Einzelner an der Gesellschaft, ihren Maßstäben und Werten und Glücksversprechen langsam zugrunde geht und schließlich ganz in den Abgrund rutscht. Ein Malvensträußchen legt dieser Täter neben die Frauenleichen, als wolle er sie würdevoll aus einem Leben verabschieden, in dem es ihnen seiner Meinung nach an der nötigen Würde gefehlt hat.

Katharina Wackernagel mit dem schönen symmetrischen Gesicht spielt Polizeikommissarin Nina Petersen als zupackende Beamtin, die sich nicht über den Mund fahren lässt und ihr Hoppla-hier-komm-ich-Auftreten gern mit signalroten Blusen unterstreicht. Im Privatleben läuft's weniger rosarot, um nicht zu sagen: irre kompliziert. "Es ist so schwer, mit dir zusammenzusein und gleichzeitig mit dir zu arbeiten, da vermischt sich so viel", sagt sie zum Kollegen Benjamin Lietz, der ihr zwar Kaffee ans Bett bringt, mit viel Milch und wenig Zucker, wie sie es mag. Aber der dann nie hört, wenn sie sagt: "Bleib aus der Schusslinie." Einer wie Lietz, der stürzt sich gerade dann mittenrein.

Wotan Wilke Möhring spielt ihn, und man fragt sich, ob dieser Mann in den letzten Jahren auch mal geschlafen hat oder immer nur gedreht, Film um Film um Film. Instinktsicher wechselt er die Rolle des schuldbeladenen Vaters mit solchen, in denen er ordentlich durch die Decke gehen kann und bei der anschließenden Schadensbegrenzung alles noch schlimmer macht. Benjamin Lietz ist eine solche Rolle. Es passt, dass der mal Kunde war bei ebenjener Partner-Hotline, in der die ermordeten Frauen ihr Gehalt aufbesserten - und ausgerechnet Fast-wieder-Freundin und Gelegenheitsliebhaberin Nina Petersen sein Kundenkarteikärtchen in den Händen hält.

Das Buch von Eigler und Sven S. Poser, die auch für die Vorgängerfilme verantwortlich waren, schnurrt wie ein gut geschmierter Motor dahin, die Schauspieler sind allesamt sehenswert: Sandra Borgmann als männerbezirzende Apothekenhelferin; Alexander Held als Hauptkommissar, den der Rollstuhl zwar am Laufen hindert, nicht aber am instinktsicheren Kombinieren, sowie Michael Rotschopf als schmieriger Kriminalrat und Paragrafenreiter mit bleistiftdünnem Lächeln, der heutzutage anscheinend in keinem Fernsehkrimi fehlen darf. Der Blödmann vom Dienst.

Die Dreharbeiten zur vierten "Stralsund"-Folge sollen Anfang Mai stattfinden. Das ist, nimmt man diesen Film zum Maßstab, eine gute Nachricht.

"Stralsund - Blutige Fährte" heute, 20.15 Uhr ZDF