Wenn Anna Loos eine Rolle spielt, dann tut sie das mit beeindruckender Echtheit. In “Die Lehrerin“ verkörpert sie eine mürrische Pädagogin.

Wer Anna Loos trifft, hat das Gefühl, dass diese Frau weiß, was für ein Glück sie hat. Mit ihrem Mann Jan Josef Liefers, mit den Töchtern Lilly und Lola, mit ihren Eltern, die immer zur Stelle sind, mit dem Talent, mit dem Erfolg. "Wir sind jetzt in unserer beruflichen Rushhour", sagt sie. Doch in dem leichten Ton, den sie anschlägt, schwingt mit, dass das nicht immer so bleiben muss. Mit den tollen Angeboten, mit der Musik, die gerade so viel Spaß macht.

Das Leben der Anna Loos ist eben auch schon mal grauer gewesen. Zum Beispiel 1988, als Anna Loos beschloss, wegzugehen aus Brandenburg an der Havel, die DDR zu verlassen. Über die Tschechoslowakei und Ungarn ist sie damals in den Westen geflüchtet. Mit 17. "Ich wollte gerne machen, was ich will", sagt Anna Loos mit diesem trotzig umwölkten Blick, der einem aus ihren Filmen bekannt vorkommt. Ja, ihre Eltern seien damals schockiert gewesen, natürlich, und nein, gesagt habe sie ihnen vorher nichts. "Ich, die tolle Tochter, die nie Probleme gemacht hat." Anna Loos lässt den Satz einen Augenblick in der Luft hängen. Dann sagt sie, dass sie über ihre Flucht nicht weiter sprechen will. Ihr Abitur hat sie damals in Hamburg gemacht, die Schauspielausbildung auch.

Seit 1998 lebt sie nun in Berlin. Und sie ist ganz anders, als man sie sich nach ihren Filmen vorgestellt hat. So gar nicht ätherisch. Eher diesseitig. Handfest. Auf das Hier und Heute konzentriert. "Ich bin", sagt Anna Los analytisch-neutral über sich, "jemand, der besonders viel Energie hat." Um sich davon zu überzeugen, muss man sie nur mal als Silly-Frontfrau erleben. Als Kind wollte Anna Loos Opernsängerin werden. "Ich war total verliebt in die Platten meiner Oma, in die Aufnahmen mit Maria Callas und Mario Lanza." Mit elf hat sie sich die ersten Gesangsstunden verdient - durch Pappenstapeln beim VEB Papierverarbeitung Brandenburg. Mit 13 hatte sie ihre erste eigene Band. Damit, dass sie heute mit der DDR-Kultband Silly die Hallen im Osten und im Westen füllt, schließt sich ein Kreis. "Das ist, glaube ich, das, was meine Eltern am meisten stolz macht." Natürlich gucken sich die Eltern und die Schwester trotzdem jeden Film an.

Heute Abend zum Beispiel "Die Lehrerin". Anna Loos spielt eine mürrische Pädagogin, die genug hat von der Schule, vom Bio-Unterricht, vom immer gleichen Trott. "Wenn ich die Schüler sehe, kommt mir die Galle hoch", sagt sie, "ich muss aufpassen, dass mir nicht die Hand ausrutscht." Sie ist entschlossen zu kündigen, aber dann fallen in der 8a plötzlich Schüsse.

"Die Lehrerin" ist wieder ein Film von Tim Trageser (Regie) und Laila Stieler (Drehbuch), die vor zwei Jahren schon gemeinsam "Wohin mit Vater" gemacht haben. Damals ist Anna Loos für ihre Hauptrolle mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet worden. In der Begründung der Jury hieß es, Anna Loos könne einfach jede Figur zum Leben erwecken, und in der Laudatio war von beeindruckender Echtheit die Rede. Tatsächlich ist Anna Loos eine Meisterin dieser stillen Dramen, die zeigen, wie sehr das Leben dem Menschen zusetzt.

Anna Loos gehört zu den Schauspielern, die sich ihre Film- und Fernsehrollen aussuchen können. Dass die Rollen am Theater "zugeteilt" würden, habe sie immer furchtbar gefunden, sagt sie. Und überhaupt: dieses unstete Leben. "Jeden Abend sitzt man in der Kantine und trinkt Wein!" Als Theaterschauspieler, meint Anna Loos, müsse man "sehr geerdet sein", sie selbst habe die Zeit jedenfalls als "Vollkatastrophe" erlebt. Inzwischen ist sie 41. Zurzeit probiert sie mit Silly im Studio neue Songs aus. An den Texten schreibt sie dieses Mal selbst mit, das Album soll im September erscheinen. Eines der Konzerte, darauf möchte man wetten, wird in Brandenburg an der Havel stattfinden. "Da", sagt Anna Loos, "haben wir schon dreimal gespielt." Es ist ihre Art, sich vor ihren Eltern zu verbeugen.

"Die Lehrerin" Mo 23.1., 20.15 Uhr, ZDF