In einer Vortragsreihe im Museum der Arbeit hinterfragen Wissenschaftler in Barmbek scheinbare Gewissheiten.

Museum der Arbeit. Zwölfjährige arbeiten in afrikanischen Steinbrüchen oder schuften in südamerikanischen Bergwerken. Siebenjährige knüpfen zehn Stunden am Tag in Indien Teppiche oder ernten in sengender Hitze auf Plantagen an der Elfenbeinküste Kakaofrüchte. Kinder arbeiten als Servierkräfte in thailändischen Restaurants, als Zimmermädchen in pakistanischen Hotels und als Hausangestellte bei reichen Familien in Rio de Janeiro. Oft verletzen sie sich, werden geschlagen und fast immer ungerecht entlohnt. Nach Unicef-Angaben arbeiten weltweit mehr als 190 Millionen Kinder im Alter zwischen fünf und 14 Jahren - sogar in einigen europäischen Ländern.

Da klingt der Titel der Vortragsreihe, die das Museum der Arbeit am Sonntag startet, schon ziemlich provokant. "Kinder brauchen Arbeit?", heißt der Zyklus, der mit einem Vortrag des Kulturwissenschaftlers Jan-Uwe Rogge beginnt. Wie können Kinder Arbeit brauchen, wo Kinderarbeit doch ein weltweit verbreiteter Missstand ist, der nahezu von allen Institutionen beklagt und von der Uno geächtet wird?

Gernot Krankenhagen, früher Direktor des Museums der Arbeit und jetzt Organisator der Reihe, hat den Titel bewusst gewählt. So eindeutig, wie es den Anschein hat, fällt die Antwort keineswegs aus. Natürlich wird keiner der Referenten die Ausbeutung von Kindern gutheißen. Und selbstverständlich geht es nicht um die Rechtfertigung der keineswegs nur in der sogenannten Dritten Welt verbreiteten Arbeit, die Kinder oft unter menschenunwürdigsten Bedingungen leisten müssen, weil sie und ihre Familien sonst nicht überleben könnten. Es geht darum, dass Kinderarbeit viele Facetten hat und nicht grundsätzlich negativ sein muss.

Das wird schon beim Auftaktvortrag Rogges deutlich, der dem Thema "Was Kinder wirklich brauchen" nachgeht. "Kinder arbeiten sich im Laufe ihrer Entwicklung an der Wirklichkeit ab. Kinder sind neugierig, sie erforschen, drücken der Realität ihren eigenen Stempel auf", meint Rogge, der zugleich feststellt, dass Arbeit Kindern Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen einflößen kann. Anhand von zahlreichen Beispielen führt Rogge vor Augen, wie positiv sich selbstbestimmte Arbeit auf Kinder auswirkt, in der Freude über ein erzieltes Ergebnis und auch über den Lohn, der sich oft gar nicht materiell ausdrückt, sondern im Stolz darauf, selbst etwas geschaffen zu haben.

Im zweiten Vortrag gehen der Historiker und Ausstellungskurator Jürgen Bönig und der engagierte Arzt Helgo Meyer-Hamme der Geschichte der Kinderarbeit nach und zeigen Parallelen zwischen der Situation in Mitteleuropa im 19. Jahrhundert und der jetzigen Lage in Entwicklungs- und Schwellenländern (29. Januar). Am 12. Februar wird dann der Volkskundler und Germanist Hermann Bausinger über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von "Kinderspiel und Kinderarbeit" sprechen. Zum Abschluss folgt am 19. Februar eine Podiumsdiskussion, an der außer allen Referenten auch die Fernsehjournalistin Maria von Welser teilnehmen wird, diesmal als stellvertretende Vorsitzende von Unicef Deutschland. Das Motto heißt dann "Kinder brauchen Arbeit - aber welche?". Dabei wird es auch darum gehen, wo man die Grenze zu ziehen hat zwischen Arbeit, die den Kindern zugutekommt, und Arbeit, die sich schädlich für sie auswirkt

Über eines dürfte trotz kontroverser Diskussion Einigkeit herrschen: Arbeit, welcher Art auch immer, kann für Kinder nur dann positiv sein, wenn sie auf der Grundlage sozialer Sicherheit geleistet wird, wenn es um die Herausbildung ihrer Persönlichkeiten geht und nicht nur ums nackte Überleben.

Vortragsreihe "Kinder brauchen Arbeit?" ab So 22.1., jew. 15.30, Museum der Arbeit (U/S Barmbek), Wiesendamm 3, Einzelkarten 4,-, Kombikarten zu 12,- an der Museumskasse; www.museum-der-arbeit.de