Mit seiner Firma Affairs Of The Heart stiftet Jan Schewe Liebesbeziehungen zwischen Songs und ihren Hörern - Jubiläumsfeier im Knust.

Hamburg. Als der Postbote das erste Mal Pakete lieferte, dachte er, er sei bei einer Partnervermittlung gelandet. Eine Assoziation, die bei dem Namen Affairs Of The Heart durchaus naheliegt. Und so unrecht hat der Briefträger auch nicht. Denn die Herzensangelegenheiten, die Jan Schewe mit seiner kleinen Plattenfirma in der Schanze verhandelt, haben sehr viel mit Liebe zu tun. Mit einer Liebe zur Musik und zu den Menschen, die sie machen.

Ständig bahnt der 35-Jährige Beziehungen an. Zwischen Songs, die ihn selbst begeistern, und Hörern, die sich dann in eine Melodie, einen Vers, ein ganzes Album verknallen dürfen. Das Verhältnis, das Schewe zu seinen Künstlern pflegt, ist meist kein kurzer Flirt, sondern eine Langzeitbindung. Seit fünf Jahren veröffentlicht der Wahlhamburger im Alleingang Platten. Am Sonntag feiert sein Label Affairs Of The Heart mit einem Konzertabend im Knust Jubiläum. Und lange vor dem ein oder anderen Geburtstagsbier ist dann schon etwas anderes reichlich geflossen: Herzblut.

"Die Verkaufszahlen können es nicht sein, die mich antreiben", sagt Schewe und lacht. Ein halb gelassenes, halb ironisches Lachen. Seinen schlaksigen Körper hat er in einen Stuhl gefaltet. Mit seinem bärtigen Gesicht und der markanten Brille ähnelt der Ein-Mann-Chef vielen der Musiker, die er vertritt. Sie spielen Folk, Indie-Pop und Singer-Songwriter-Sound. Und sie nehmen das Leben in der Regel nicht auf die ganz leichte Schulter. Sie singen lieber von Zerrissenheit als von schönem Schein. Der Raum, um dieser Musik eine möglichst große Bühne zu bereiten, ist klein.

In einem Gemeinschaftsbüro am Neuen Pferdemarkt hat Schewe eine Arbeitsecke gemietet. Licht fällt auf blanken Dielenboden. Ein Tisch, ein Rechner, viele Ordner. An der Wand hängt ein Poster des Kaliforniers Nik Freitas, der betörende Harmonien im Geiste der Beach Boys mit der Melancholie eines Bright Eyes kreuzt. Freitas ist ebenso Mitglied der Affairs-Of-The-Heart-Familie wie die amerikanische Band The Dead Trees, Schewes jüngster Neuzugang, die vergleichsweise unbeschwerten, klugen Indie-Pop produziert. "Deren Album 'Whatwave' ist unglaublich leicht. Frische Texte, nicht zu tiefschürfend, tolle Hooks. Das hat mich total umgehauen", erklärt Schewe. Und wer ihn reden hört, wer ihn gestikulieren sieht, während die Arme etwas schlumpfig in Ringelshirt und Sweatshirtjacke stecken, der versteht die Philosophie seines Handelns.

"Wenn ich mich persönlich für die Musik begeistere, ist meine Arbeit um ein Vielfaches besser. Und zugleich spielt Vermarktbarkeit keine Rolle, wenn mir etwas wirklich gefällt", sagt Schewe und beißt in sein Croissant, das er zum späten Frühstück mit Cola kombiniert. "Ein bisschen Naivität gehört schon auch dazu", schiebt er dann noch hinterher. Die Naivität desjenigen, der liebt, statt bloß zu kalkulieren.

Dabei agiert Schewe zwar ohne Netz, doppelten Boden und finanzielles Polster, aber nicht ohne Erfahrungen in der Branche. Bei Energie für alle, kurz Efa, einst Deutschlands größter unabhängiger Plattenvertrieb, betreute er bis zu dessen Pleite 2004 Bereiche vom Marketing bis zum Produktmanagement und war unter anderem für das renommierte US-Label Saddle Creek zuständig. Nach dem Konkurs zog er von Frankfurt nach Hamburg, um sich an der Elbe als Musikpromoter selbstständig zu machen.

"2007 war dann der Punkt erreicht, wo ich nicht bloß Empfehlungen geben, sondern selbst Platten herausbringen wollte", sagt Schewe. Er machte Affairs Of The Heart zum Label - und das, obwohl viele Freunde in Anbetracht der Krise die Hände über dem Kopf zusammenschlugen. Doch immerhin steht dieses Jahr die 20. Veröffentlichung seiner Firma an. Die meisten Tonträger bei Affairs Of The Heart erscheinen auf Vinyl oder als CD. "Die Downloads sind eher ein Zubrot", sagt Schewe. Ihr Anteil liegt bei zehn Prozent des Umsatzes. Musik anfassen zu wollen scheint für viele nach wie vor große Bedeutung zu besitzen. So real wie ein echter Freund, wie ein Partner an der Seite.

Wie die kreativen Beziehungen rund um Schewe immer wieder neue Kreise ziehen, zeigt das Jubiläumskonzert am Sonntag. Unbunny, Flare Acoustic Arts League und Maria Taylor, drei Künstler, die bei Affairs Of The Heart unter Vertrag sind, proben seit einer Woche, um auf der Bühne des Knust gemeinsam zu musizieren. Und gewiss auch, um Schewe ein Ständchen zu bringen für sein Durchhaltevermögen.

"Eigenständig in der Musikbranche zu arbeiten ist ein ständiges Überdenken: Was kann ich machen, um über die Runden zu kommen?", erklärt Schewe das Dilemma zwischen Kunst wollen und Leben müssen. Und die Not, sie macht bekanntlich erfinderisch. So griff er kurzerhand selbst zur Gitarre, als es zu teuer war, für eine Europatour seines Künstlers Unbunny eine ganze Band aus den USA einzufliegen.

"Für mich als Labelmensch war es sehr spannend, die Umstände einer Tour am eigenen Leib zu erfahren", erinnert er sich. Nicht nur die Tristesse der Straße, die langen Fahrten, die unbequemen Schlafstätten oder die Enttäuschung, von einem Klub übers Ohr gehauen zu werden, sondern auch die Erfahrung, dass Plattenfirmenboss und Musiker nicht immer dieselbe Sprache sprechen. Situationen, in denen Beziehungen auf die Probe gestellt werden. Das Geschäftliche, das Freundschaftliche und das Existenzielle haben sich aber trotz der Anstrengungen längst die Hände gereicht. Und zwar von Herzen.

Fünf Jahre Affairs Of The Heart mit Maria Taylor, Unbunny, Flare Acoustic Arts League: So 15.1., Einlass: 19.00, Knust (U Feldstraße), Neuer Kamp 30, Eintritt: 13,60 im Vvk.; www.affairsoftheheart.de