Das ZDF zeigt heute “Das Kindermädchen“, die Verfilmung des Bestsellers von Elisabeth Herrmann“ über Zwangsarbeiterinnen im Dritten Reich.

Hamburg. Klinken putzen, Absagen kassieren, trotzdem lächeln und weitermachen. Aus den Händen gerissen hat Autorin Elisabeth Herrmann ihr Manuskript "Das Kindermädchen" zunächst niemand. Das Thema "Zwangsarbeiter im Dritten Reich" ist kein Stoff für leichte Unterhaltung. Stoff zum Erzählen gäbe es genug: Allein über 160.000 Kinder, die meisten Mädchen aus Osteuropa, wurden während der Nazi-Diktatur in deutschen Familien zur Arbeit gezwungen.

Insgesamt acht Jahre dauerte es, bis die Autorin einen Verlag gefunden hatte. 2007 erschien "Das Kindermädchen" und verkaufte sich seitdem über 100 000 Mal. Der Krimi mit historischem Einschlag erzählt die Geschichte eines Berliner Emporkömmlings, der durch Zufall mit der unrühmlichen Vergangenheit seiner zukünftigen Schwiegerfamilie konfrontiert wird. Heute zeigt das ZDF die Verfilmung des Bestsellers, für den Herrmann auch das Drehbuch schrieb.

Joachim Vernau (Jan Josef Liefers) ist Rechtsanwalt und hat es in die oberste Etage der Berliner Gesellschaft geschafft. Seine Verlobte ist die Familiensenatorin Sigrun von Zernikow (Natalia Wörner), ihre Familie ist wohlhabend und einflussreich. Nach der Hochzeit soll Vernau Partner in der Kanzlei seines Schwiegervaters Utz werden. Der Aufstieg ist nur noch eine Frage der Zeit und seines Wohlverhaltens. Aber der Zufall will es wie gewöhnlich anders: Er trifft auf eine alte Frau, die eines Tages vor der Kanzlei steht. In der Hand hat sie ein offizielles Schreiben auf Russisch. Die Frau will eine Unterschrift von Utz von Zernikow. Vernau wimmelt die Frau ab, nimmt aber das Schreiben an sich. Er bittet seine Ex-Freundin Marie-Luise Hoffmann (Stefanie Stappenbeck), den Brief zu übersetzen.

Das Formular entpuppt sich als Entschädigungsforderung der Russin Natalja Tscherednitschenkowa, die während des Zweiten Weltkrieges als Elfjährige bei den Zernikows als Kindermädchen zwangsbeschäftigt war. Naiv glaubt Vernau, seinen moralisch korrekten Schwiegervater in spe zur Unterschrift bewegen zu können. Umso überraschender kommt die Abweisung in eisigem Ton. Zeitgleich entdeckt Vernau in einem Zeitungsartikel, dass die Frau, die ihm das Schreiben gegeben hat, tot aus der Spree gezogen wurde. Vernau glaubt nicht an einen tragischen Zufall. Er beginnt, unbequeme Fragen zu stellen. Die Familie stellt sich gegen den Unruhestifter, also versucht er gemeinsam mit seiner Ex die Wahrheit über das Kindermädchen ans Licht zu bringen. Je mehr die beiden herausfinden, desto brenzliger wird die Situation für Vernau, und schließlich verliert er alles, wofür er gearbeitet hat: seinen Job, seine Wohnung und seine Verlobte.

Der Roman überzeugt vor allem durch seine leichte Erzählweise, die Einblicke in die Berliner Upperclass gewährt. Diese Technik in einen Fernsehfilm zu übertragen, ohne den geschichtlichen Hintergrund zu vernachlässigen, ist nicht leicht. Nicht unproblematisch ist, dass der Film auch noch ein "Thriller" sein soll. Genau das ist "Das Kindermädchen" aber nicht, auch wenn eine Jagdhütte abbrennt und Kunstblut fließt. Das Sujet dieses Films, die Aufklärung einer Familiengeschichte, braucht keine Spezialeffekte, sondern authentische Schauspieler. Und davon hat "Das Kindermädchen" glücklicherweise viele. Matthias Habich etwa spielt den Patriarchen Utz von Zernikow mit großem Selbstverständnis, kombiniert angeborene Arroganz mit anerzogener Verklemmtheit, Gefühle auszudrücken. Sein Verhältnis zur Mutter ist gefühllos, das zur Tochter unbeholfen.

Doch der Film lebt von Jan-Josef Liefers. Ein wenig erinnert sein Spiel an Karl-Friedrich Börne, jenen Gerichtsmediziner, den er im Münsteraner "Tatort" verkörpert. Es ist das überbordende Selbstbewusstsein, das verschmitzte Lächeln, die antrainierte Schnöseligkeit - eine Figur, die ganz auf Liefers zugeschnitten ist. Der Schauspieler schafft es, dem selbstverliebten Emporkömmling Vernau sympathische Züge zu verleihen. Und so gelingt es Drehbuchautorin Herrmann und Regisseur Carlo Rola trotz des unnötig aufgebauschten Endes, Historie und Gegenwart ähnlich temporeich wie in der Romanvorlage zu verquicken.

"Das Kindermädchen" Mo 9. Januar, 20.15, ZDF