“Tatort“-Schauspielerin Eva Mattes und Angela Winkler geben in “Arsen und Spitzenhäubchen“ auf der Kiez-Bühne wieder zwei mordlustige Schwestern.

Hamburg. Eva Mattes schafft es locker von der Kommissarin zur Serienmörderin. Jagte die Schauspielerin als Klara Blum im Bodensee-"Tatort: Das schwarze Haus" noch einen Serienkiller, hat sie in "Arsen und Spitzenhäubchen" als Abby Brewster mit ihrer Schwester Martha selbst ein Dutzend Leichen im Keller.

Eva Mattes und Angela Winkler treiben ab heute wieder ihr mildtätiges Mörderinnen-Handwerk auf der Kiez-Bühne: Sie kredenzen alleinstehenden alten Herren, die sie als Untermieter anlocken und bemuttern, liebevoll gebrauten, aber giftig gewürzten Holunderwein. Um sie aus Einsamkeit oder Krankheit zu erlösen und Gott näher zu bringen. Den komischen Mordsspaß mit Pointen-Feuerwerk und viel Slapstick, aber auch etlichen ernsteren Untertönen sollte man sich nicht entgehen lassen. Oder gern auch ein zweites Mal gönnen: Denn es gibt immer neue Feinheiten in Ulrich Wallers Inszenierung und der Charakterzeichnung der beiden bezaubernden Ausnahmeschauspielerinnen zu entdecken.

Mattes und Winkler zeigen, dass Abby und Martha sehr genau wissen, was sie tun, jedoch - beseelt und getrieben vom Eifer ihres Helferinnensyndroms - den Blick für die Wirklichkeit aus den Augen verlieren. Die Vorsicht und Angst, entdeckt zu werden, lassen Winkler bei ihren "guten Taten" anmutig auf Zehenspitzen durch das gemütliche, aber geheimnisvoll schummrige Brooklyn-Heim trippeln. Statt den Teewagen mit blitzblank polierten Weingläsern zu rollen, trägt sie ihn mehr über den Boden. Marthas Wahnsinn hat durchaus Methode, was die Schauspielerin auch in Peter Zadeks unvergessener "Hamlet"-Inszenierung demonstrierte. Mattes spielte darin die Königin Gertrude - sozusagen Winklers Mutter -, und auch hier bewahrt sie bodenständig einen herrlichen Mutterwitz im abgekarteten Spiel der beiden alten Tanten, dem ihr Neffe Mortimer Brewster an seinem Hochzeitstag auf die Spur kommt. Uwe Bohm agiert in Panik unter Volldampf. Denn heiratet ein Theaterkritiker, ist das ein guter Grund für Drama, Katastrophen - und handfeste Situationskomik.

Joseph Kesselring ist mit dem skurrilen Mordsstück "Arsen und Spitzenhäubchen" ein großer, aber auch sein einziger Broadway-Erfolg gelungen. Es wurde am 10. Januar 1941 im Fulton Theatre uraufgeführt und entwickelte sich zum Riesenhit mit 1444 Vorstellungen. Der Erfolg verzögerte den Start von Frank Capras Verfilmung mit Gary Grant als herumtobendem Lästermaul Mortimer. Denn solange die Show am Broadway lief, durfte der Film mit der Uraufführungsbesetzung Josephine Hull und Jean Adair nicht in die Kinos. Seitdem hält sich "Arsenic and Old Lace" als Dauerbrenner auch auf deutschen Bühnen - nicht zuletzt dank des durchgeknallten Figuren-Kabinetts und des ergiebigen Rollenfutters für ausgepichte Komödianten.

Neben den zwei Tanten treiben auch die lieben Verwandten dunkle Geschäfte oder sind wie Neffe Teddy (Gerhard Garbers) komplett verrückt. Mortimers dritter Bruder Jonathan taucht plötzlich auf und entpuppt sich als entlaufener Massenmörder, im Schlepptau einen Toten und den pichelnden Doktor Einstein. Christian Redl spielt ihn in einer Schurkenmaske, halb Hitler, halb Frankensteins Monster, und parodiert grimmig alle Bösewichte dieser Welt.

Denn die brillanten Schauspieler und Regisseur Ulrich Waller lassen im unterhaltsamen Possenspiel die dunklen Seiten der menschlichen Natur und der Gesellschaft in den Zeiten des Krieges nicht vergessen.

Arsen und Spitzenhäubchen Mi 4.-8.1., 10.-15.1, jeweils 20.00, So 19.00, St.-Pauli-Theater (S Reeperbahn), Spielbudenplatz 29/30, Karten zu 16,57 bis 48,82 bei allen Hamburger-Abendblatt-Ticketshops und unter der Ticket-Hotline T. 040/30 30 98 98; www.st-pauli-theater.de