Trotz Regens und WM-Auftakts überzeugt Paolo Nutini im Stadtpark rund 3000 Fans. Ein Traditionalist begeistert Teenies

Hamburg. Das Gekreische ist schrill und ohrenbetäubend. Diese Reaktionen junger Teenager kennt man von Boygroups und erlebt sie bei Tokio Hotel, aber auch Paolo Nutini hat sie längst als Ausdruck hysterischer Begeisterung akzeptiert. Der 23 Jahre alte schottische Sänger mit dem italienischen Namen - seine Familie lebt bereits in vierter Generation in Glasgow - besitzt dieses glatte, hübsche Gesicht, bei dessen Anblick weibliche Fans die Augen verdrehen und "süüüüß!" kreischen. Dabei ist die Musik, die er inzwischen spielt, alles andere als hypermodern: Nutini ist ein junger Traditionalist , der sich gut in der Geschichte populärer Musik auskennt und sich dort auch frech bedient.

Sein Konzert im Hamburger Stadtpark beginnt er mit "10/10", einer Ska-Nummer, mit der er auch junge Mädchen der Jahrgänge 1945 bis 1950 begeistert hätte, denn diese Tanzmusik entstand bereits Ende der 50er-Jahre auf Jamaika und erlebte in den 60ern in Großbritannien eine erste Blütezeit. Seine siebenköpfige Band, inklusive einer Bläsersektion, lässt den Beat vom ersten Riff an richtig rollen, die Füße der Fans stampfen dazu im von Regen aufgeweichten Boden.

Weiter geht's mit Tempo und "Alloway Grove". Bei "High Hopes" verlangsamt Nutini zum ersten Mal die Gangart seiner wild galoppierenden Band, denn Balladen kann er auch. Da ist dann zu hören, über welch tiefschwarze Stimme der blasse Schotte verfügt. Später wird er mit "Coming Up Easy" und "No Other Way" von seinem zweiten Album, "Sunny Side Up", zwei Nummern singen, die in ihrer Phrasierung eindeutig von Otis Redding beeinflusst sind, jenem großen afroamerikanischen Soulsänger, der 1967 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam.

Längst vorbei sind die Zeiten, als Nutini vor fünf Jahren im Uebel & Gefährlich nur mit einer Gitarre auf der Bühne stand und noch nicht recht klar war, in welche Richtung sich seine Karriere entwickeln würde. Für den damals 18-Jährigen war nur klar, dass er nicht die Imbissbude seines Vaters übernehmen würde. Im Stadtpark wird deutlich, dass er das Zeug zu einem Entertainer für alle Generationen hat. Pop, Ska, Soul, Jazz und sogar Tanzmusik seiner italienischen Vorfahren integriert er in seine Songs und macht daraus ein 90 Minuten langes fröhliches Spektakel.

Etwa 3000 Zuhörer haben ihre Schirme unter den Arm geklemmt und sind in das Open-Air-Areal gekommen, weil sie geahnt haben, dass dieser Popsänger ihnen ein Lachen ins Gesicht zaubern würde. Die Fußball-WM mit dem parallel laufenden Kick zwischen Frankreich und Uruguay hat Nutini keine Fans gekostet. Nach diesem Auftritt wird er künftig sicher noch größere Locations füllen, denn dem sympathischen Twen gehört die Zukunft. Dass er sich nicht nur in der Pop-Tradition auskennt, sondern auch aktuelle Musik verfolgt, zeigten Nutinis Zugaben: Vor "Last Request", seiner letzten Nummer, covert er "Time To Pretend" der New Yorker Indie-Electro-Band MGMT.

Der nächste Regenguss mag ruhig kommen, die Freude über ein starkes Konzert kann er nicht verwässern.