Reaktionen und Meinungen zur ARD-Personal-Rochade rund um Günther Jauch.

Hamburg. "Früher oder später kriegen wir sie alle", das ist nicht die Devise der verhassten, aber bald überflüssigen GEZ-Drückerkolonnen. So lautet offenbar die neue Maxime der ARD-Verantwortlichen, die sich mit Günther Jauch im zweiten Anlauf ein erstklassiges Aushänge-Gesicht aus dem Konkurrenz-Bestand gesichert haben.

Zu den Auswirkungen von Jauchs Verpflichtungserklärung, die eine Programm-Strukturänderung im ARD-Abendprogramm auslösen wird, wollen die davon Betroffenen am Tag eins danach entweder nichts oder zumindest kein schlechtes Wort von sich geben. Die Sprecherin der Polit-Talkerin Anne Will, die momentan im Urlaub ist, blieb bei der Ansage, man wolle zu gegebener Zeit Entscheidungen bekannt geben. Will muss ihren sonntäglichen Sendeplatz für Jauch räumen.

Mittelbar trifft dieses Schicksal auch "Hart aber fair"-Moderator Frank Plasberg, der sich auch deswegen hinter die zeitlich vereinheitlichten "Tagesthemen" einfädeln lassen muss. "Ich bin nicht sauer", sagte Plasberg, "und ich freue mich, dass Günther Jauch zur ARD kommt." Plasbergs offizielle Erklärung zur Imageschadensbegrenzung: "In der ARD wird Leistung nicht bestraft." "Hart aber fair" sei mit einem durchschnittlichen Marktanteil von 14,9 Prozent in diesem Jahr bislang die erfolgreichste Polit-Talkshow im deutschen Fernsehen, und das trotz der häufigen Fußball-Konkurrenz. "Ich bin mir sicher: Für eine Sendung, die so geschätzt wird, gibt es in der ARD einen herausragenden Sendeplatz."

Für Bernd Gäbler, Fachpublizist und ehemaliger Leiter des Grimme-Instituts, ist die Personal-Rochade rund um Jauch "ein echter Coup", der beiden Seiten nützt. "Die ARD ist offener geworden; ist weniger darauf bedacht, ,ARD-Gesichter' hervorzubringen. Sie öffnet sich als Plattform auch für andere ,Marken'", so Gäbler. "Jauch ist die vermutlich bedeutendste ,Marke' in der TV-Landschaft außerhalb der Sender selbst. Darin steckt eine neue Kompromissfähigkeit, denn schließlich darf Jauch als Unterhalter noch bei RTL weitermachen. Aber auch das Eingeständnis, auf solche Kompromisse angewiesen zu sein." Dieser Nachteil hat für Gäbler auch einen Vorteil: "Jauchs Vertrag ist - wenn auch nicht der Stich ins Herz von RTL - auf jeden Fall mehr als eine Stichelei. Sicher ist jetzt schon: Am Sonntag wird die ARD unschlagbar sein." Eine große Verantwortung, die damit dem neuen öffentlich-rechtlichen Heilsbringer aufgehalst wird. Auch hier ist Gäbler zuversichtlich: "Jauch weiß, welche Fragen den Menschen auf der Zunge liegen, und artikuliert sie stellvertretend für diese. Er hat großes Stilempfinden und kann meisterlich mit der Dialektik von Nähe und Distanz jonglieren. Er behält Autorität, ohne sie auszuspielen."

Die Gesichts- und Prestigeverluste von Will und Plasberg beurteilt Gäbler differenziert: "Beide bleiben an der Tabellenspitze der Bundesliga, auch wenn sie es zur Champions League aktuell nicht geschafft haben. Auch wenn für beide das Resultat und das Vorgehen ihrer ARD-Oberen nicht schön sind, ich halte es für verständlich."

Mit der Entscheidung für einen Privat-TV-Prominenten wird ab Herbst 2011 eine Öffnung der ARD-Strukturen fortgesetzt, deren Anfang die Song-Contest-Zusammenarbeit mit der ProSieben-Galionsfigur Stefan Raab war. Auch das sagt für Gäbler einiges über Stärken und Schwächen des Interessen-Mobiles namens ARD. "Darin steckt auch das Eingeständnis, dass man es aus sich heraus nicht schafft: weder einen Eurovision Song Contest massenrelevant zu organisieren, noch einen Polit-Talk mit größter gesellschaftlicher Ausstrahlung auf die Beine zu stellen. Für die ARD ist dieser Vorgang eine Wette auf das Profil der Zukunft." Für dieses Profil steht derzeit auch noch der Ironie-Solitär Harald Schmidt, dessen Zukunft die Intendanten beim anstehenden Weichenstellen gut bedenken sollten, meint Gäbler: "Ich hoffe, dass ein Kollateralschaden noch zu verhindern ist. Gerade in der letzten Zeit hat er sich mit einer gnadenlosen Rücksichtslosigkeit gegenüber Trends, Moden und Quoten wieder richtig freigespielt."