In der Kunsthalle sind Meisterwerke der niederländischen Marinemalerei des Goldenen Zeitalters aus dem 17. Jahrhundert zu sehen.

Hamburg. Die See ist aufgewühlt, die Segel der Kriegsschiffe sind gebläht, die Stückpforten geöffnet, im Sturm knattern die niederländischen Flaggen. Ludolf Backhuysen, einer der Großmeister der niederländischen Marinemalerei des 17. Jahrhunderts, dokumentiert hier auf großem Format einen historischen Moment, der für seine Heimat zum nationalen Triumph geworden ist: Im englisch-niederländischen Krieg(1665-1667), in dem die beiden fast gleich starken Mächte um die Seeherrschaft in Europa und Übersee kämpfen, dringt die niederländische Flotte am 9. Juni 1667 in die Themsemündung vor und greift dort Befestigungen und Depots an. Anschließend fallen die Niederländer noch in den Nebenfluss Medway ein und erobern oder zerstören dort eine große Anzahl Schiffe der abgetakelten englischen Flotte - ein Sieg, der die Position der Angreifer bei den Friedensverhandlungen erheblich stärkt. Am 31. Juli 1667 wird der Friedensvertrag in Breda unterzeichnet.

Backhuysens Gemälde "Der niederländische Angriff auf Medway", auf dem er darstellt, wie das mit 80 Kanonen bestückte englische Flaggschiff "Royal Charles" gekapert und in niederländische Gewässer gezogen wird, ist eines der Glanzstücke der Ausstellung "Segeln, was das Zeug hält - Niederländische Gemälde des Goldenen Zeitalters", die von heute an im Hubertus-Wald-Forum der Hamburger Kunsthalle zu sehen ist. Nach der zweiteiligen Überblicksausstellung "Seestücke" 2005 und 2007 sind nun erneut maritime Motive zu sehen. Diesmal konzentriert sich die Schau jedoch auf die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts, auf jene Zeit also, in der die Maler Schiffsmotive für sich entdeckten und das Genre zur Perfektion führten.

Etwa 80 Gemälde hat die Kuratorin Martina Sitt zu einem großen Panorama zusammengefügt, das die erstaunlich vielfältigen Aspekte dieses Genres aufzeigt und für die Besucher nacherlebbar werden lässt. Ein Drittel der Werke stammt aus dem Bestand der Kunsthalle, der Rest vor allem aus dem Maritime Museum Greenwich/London, aber auch aus zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen aus Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland.

Der eher intime Charakter des Hubertus-Wald-Forums erweist sich als idealer Rahmen für diese Schau, vor deren in dezenten Farben gehaltenen Wänden und Stellflächen die Gemälde ihre besondere Leuchtkraft und Faszination entfalten können. Vertreten sind die führenden Meister dieses Genres - von dem eingangs erwähnten Ludolf Backhuysen über Jan Porcellis sowie Vater und Sohn Willem van de Velde bis hin zu Simon de Vliegher.

Welche Bedeutung das Meer und das Schiff seit Jahrtausenden für die Menschheit besitzt, zeigt sich an zahlreichen metaphorischen Formulierungen unserer Umgangssprache - von der biblischen Arche Noah bis zum Staatsschiff, von den Stürmen des Lebens bis zum Hafen der Ehe. Für eine seefahrende Nation wie die Niederlande, deren enormer Reichtum sich vor allem auf den Warenaustausch mit europäischen und überseeischen Ländern gründete, galt das umso mehr.

So mangelte es nicht an Auftraggebern für Bilder mit maritimen Motiven: Kaufleute, die durch ihre Verbindungen zur 1602 gegründeten Niederländischen Ostindien-Kompanie zu Wohlstand gelangt sind, wünschen sich Seestücke für ihre repräsentativen Bürgerhäuser. Kapitänsfrauen lassen sich durch Schiffsbilder an ihre oft in der Ferne weilenden Gatten erinnern, Admirale wollen - oft Jahrzehnte später - die malerische Wiedergabe entscheidender Momente großer Seeschlachten besitzen. Und wohlhabende Handwerker träumen sich mit Bildern von Schiffen an ein exotisches Gestade in fernen Welten, das sie nie mit eigenen Augen sehen werden. Bei vielen Auftraggebern sind auch Paarungen beliebt - etwa "Bewegtes Meer" und "Stille See".

Die Ausstellung zeigt, welche unterschiedlichen Erwartungen die niederländischen Maler zu entsprechen hatten. Dabei erweist sich vor allem die Darstellung des Meeres, der Wellen und der Gischt als formale und ästhetische Herausforderung, die im Lauf des 17. Jahrhunderts immer besser bewältigt wird. Wer die Gemälde dieser Ausstellung betrachtet, wird feststellen, dass allenfalls der Himmel blau ist, das Wasser erscheint jedoch in Grau oder Braun, Grün, Anthrazit oder in verschiedenen Gelb- oder Beigetönen.

"Auch wenn es darum ging, ein Geschehen möglichst wirklichkeitsgetreu wiederzugeben, haben die Maler ihre Bilder bewusst organisiert und inszeniert", sagt Martina Sitt, die interessante Parallelen zum damaligen Theater sieht: "Der Vordergrund ist meist dunkel, sodass der Betrachter wie aus dem Zuschauerraum auf ein dramatisches Geschehen blickt, das sich vor ihm wie auf einer Bühne abspielt."

Tatsächlich dienen an niederländischen Bühnen des 17. Jahrhunderts häufig Seestücke als Vorlage für Bühnenbilder. Auch Kulissen nehmen oft die Gestalt von Schiffen oder Felsen an. Um dem Bühnenwetter die nötige Windstärke zu verleihen, kommen spiralförmige "Wellenmaschinen" aus Pappmaschee zum Einsatz - ein nachgebautes Exemplar können Ausstellungsbesucher in einer hübschen Bühneninszenierung selbst in Gang setzen.

Segeln, was das Zeug hält Niederländische Gemälde des Goldenen Zeitalters. Kunsthalle, Hubertus-Wald-Forum. Bis 12. September, Di-So 10-18, Do bis 21 Uhr geöffnet. www.hamburger-kunsthalle.de