Byambasuren Davaa erzählt in ihrer Halbdokumentation “Das Lied von den zwei Pferden“ von der Mystik ihrer geteilten mongolischen Heimat.

Hamburg. Urna ist so etwas wie die Stimme der Mongolei. Auch Menschen, die sich nie zuvor mit dem Land beschäftigt haben, dürfte das Herz aufgehen, sobald sie sie singen hören. Verwunschen. Aber sehr melodiös. Urna singt traditionelle Lieder mit dem aufrichtigsten Lächeln. Erfüllt von der Gewalt und der Schönheit der Natur, der Menschen und der Tierwelt ihrer Heimat, der Mongolei. Und sie singt und summt viel in Byambasuren Davaas neuer Halbdokumentation "Das Lied von den zwei Pferden".

Es soll noch immer Menschen geben, die solche Filme für folkloristisches Kunstgewerbe halten. Das trifft auf die handlungsarmen, präzise und bildgewaltig abgefilmten Arbeiten der in Ulan Bator geborenen und in München ausgebildeten Regisseurin Davaa nicht zu. Die Tränen einer Kamelmutter, die ihr Fohlen verstoßen hatte, rührten in "Die Geschichte vom weinenden Kamel" (2003) Filmfans in aller Welt und bezirzten sogar die Jury für eine Oscar-Nominierung. Der Nachfolger "Die Höhle des gelben Hundes" schaffte es bis zum Filmfestival nach Cannes.

Aus Davaa spricht ein unbedingter Wille zum kritischen Denken. Ob sie dreimal über die linke Schulter spuckt, um Unglück abzuwenden, wie es die Nomaden in der Mongolei tun, verrät sie nicht, respektiert es aber. Natürlich sind ihre Filme durchtränkt vom Buddhismus, dem Schamanenglauben und den vielen Mythen ihrer Heimat. "Das sind für mich ganz normale Lebenswerte, die ich wiedergebe. Hätte ich meine Heimat nicht verlassen, wäre auch das 'Kamel' vielleicht ein Film über banales, alltägliches Leben geworden", sagt sie.

Mit der Sängerin und Liedforscherin Urna Chahar Tugchi ist sie privat befreundet. Urna hatte ihrer Großmutter versprochen, deren zerbrochene - in der Kulturrevolution zerstörte - Pferdekopfgeige reparieren zu lassen und das auf dem Hals eingravierte Lied "Die zwei Pferde des Dschingis Khan" wiederzufinden. In einer Art Roadmovie begibt sie sich auf die Suche. "Die Teilung unseres Landes war die Hauptmotivation, diese Geschichte zu erzählen", sagt Byambasuren Davaa. Sie selbst stammt aus der Äußeren, Urna aus der Inneren Mongolei, die heute ein autonomes Gebiet der Volksrepublik China darstellt.

Das Lied erzählt von zwei Pferden, Synonym für zwei Brüder, auf der Suche nach ihrer Herde. Es symbolisiert die Einheit des Volkes, wie sie der mongolische Volksheld Dschingis Khan einst geschaffen hatte. Heute ist das Land geteilt. Die Tradition droht im Sog der wirtschaftlichen Entwicklung verloren zu gehen. Ein melancholischer Zauber weht dann auch durch diesen Film. Nichts beschönigend zeigt er nicht die idyllische Nomadensteppe, sondern die Hauptstadt Ulan Bator, in der gescheiterte ehemalige Nomaden in Abfällen wühlen.

Davaa inszeniert ohne Drehbuch, lässt ihre Filme fast wie eine Jazzimprovisation wachsen und begibt sich selbst mit ihrer Hauptakteurin auf eine ungewisse Reise. Auf diese Weise ist sie nach zwei Monaten endlich auch auf eine 86 Jahre alte Sängerin in der Steppe gestoßen. Und auf eine Melodie, die viel mehr ist, als nur ein Lied.

Das Lied von den zwei Pferden Der Film läuft ab heute in Hamburger Kinos, lesen Sie dazu auch eine Kritik in Hamburg LIVE auf Seite 10