So beschreibt Christoph von Dohnányi die neun Symphonien:

Nr. 1, op. 21 (1800): Das Sich-Lösen vom 18. Jahrhundert.

Nr. 2, op. 36 (1803): Große, freudige Auseinandersetzung mit Mozarts "Zauberflöte"-Ästhetik.

Nr. 3, op. 55 (1804): Die Einführung des Heroischen.

Nr. 4, op. 60 (1807): Die schlanke, griechisch-klassische Form, so hat Schumann diese Vierte empfunden.

Nr. 5, op. 67 (1808): Die formal am besten gemachte, durchkomponierte Struktur.

Nr. 6, op. 68 (1808): Ausdruck der Empfindung, nicht Malerei, nicht Abmalen, sie ist das Erwecken von Vorstellungen, poetisch programmatisch gedacht. Diese Symphonie soll die Möglichkeit geben, am Bild ein eigenes Bild zu entwickeln.

Nr. 7, op. 92 (1813): Eindeutig gegen die Diktatur und das imperialistische Vorgehen Napoleons. Es geht um Freiheit.

Nr. 8, op. 93 (1814): Tolles, leichtfüßiges Komponieren, sehr beeinflusst vom Beweis: Lieber Mälzel, Tempi müssen trotz der Metronomzahlen flexibel sein. Es geht um Musik, die atmet.

Nr. 9, op. 125 (1824): Der absolute Tiefpunkt in Beethovens Leben spricht aus dem ersten Satz. Er zeigt: das ist der chaotische Jetzt-Zustand. Der zweite zeigt eine formale, unglaublich vitale Form. Er sagt aber auch, irgendwo gibt es einen Weg. Dann der wahnwitzig schwere, großartige dritte Satz - da kommt Glaube, Gott. Und dann im Finale Zuversicht, Vertrauen. Die Vision, ein "So sollte es sein". Das Finale will einen Weg zeigen. Beethoven hat in den letzten Jahren seines Lebens unendlich gelitten, und doch hat er die Neunte vom vierten Satz her im Gedanken an Hoffnung und Freude entwickelt. Diese Fähigkeit zur Vision ist seine Größe.