Im 19. Jahrhundert zog es viele deutsche und dänische Maler nach Italien, wo sie lernten, die Schönheit der Landschaft in neuem Licht zu sehen.

Hamburg. Ungefährlich war es nicht, zur Postkutschenzeit nach Süden zu reisen. Manchmal drohte gar Gefahr für Leib und Leben. Italien sehen und sterben, ausgerechnet für Johann Joachim Winckelmann sollte sich diese Sentenz als schicksalhaft erweisen: Am 8. Juni 1768 wurde der Antiquar, Kunstschriftsteller und Begründer der Archäologie und der Kunstgeschichte in der italienischen Hafenstadt Triest in seinem Hotel mit sieben Messerstichen ermordet - ein bis heute nicht abschließend geklärter Kriminalfall.

Aber abschreckend war das offenbar nicht, Winckelmanns Ideen wirkten nach, seine Betrachtungen über die römischen und griechischen Monumente und deren Geschichte weckten bei vielen nordeuropäischen Künstlern das Verständnis für die Kunst der Antike, zugleich aber die Sehnsucht, die Stätten des klassischen Altertums einmal mit eigenen Augen zu sehen. Und spätestens nachdem Goethe seine "Italienische Reise" veröffentlicht hatte, griff vor allem unter deutschen und dänischen Malern und Bildhauern eine Italiensehnsucht um sich, die die Kunst des 19. Jahrhunderts ganz entscheidend prägen sollte.

"Sehnsucht nach Arkadien" heißt eine Ausstellung im Jenisch-Haus mit Werken schleswig-holsteinischer Künstler, die im späten 18. und im 19. Jahrhundert nach Italien reisten, dort manchmal jahrelang blieben, eigene Gemeinschaften gründeten und sich in Lokalitäten wie dem legendären Antico Caffé Greco trafen. Der Ausstellungsort ist passend gewählt, denn auch den Hamburger Senator Martin Johan Jenisch, der sich 1831 bis 1834 an der Elbe jenes Sommerhaus bauen ließ, das heute unter dem Namen Jenisch-Haus als Museum dient, hatte die Italiensehnsucht ergriffen. 1830 reiste er nach Rom, um von den zahlreichen deutschen und dänischen Künstlern, die dort lebten und wirkten, Werke für sein Landhaus zu erwerben. Einige davon sind noch heute vor Ort zu sehen.

Was die Maler zu ihren beschwerlichen Fußreisen über die Alpen bewog, war freilich nicht nur das Interesse an den antiken Stätten und an den Meisterwerken der Renaissance, auf die Winckelmann sie aufmerksam gemacht hatte. Sie sahen Italien auch als ein irdisches Paradies, als das Arkadien, das der römische Dichter Vergil in seinen Hirtenliedern besungen hatte - ein wunderschön gelegenes utopisches Land fernab aller sozialen und politischen Konventionen, in dem sich ein heiteres und glückliches Leben führen ließ.

Mit dieser Vorstellung im Kopf malten die aus dem Norden stammenden Künstler in Rom, in den Albaner Bergen oder an der Amalfi-Küste Bilder, in denen sie ideale Vorstellungen mit ihren vor Ort gewonnenen Eindrücken verbanden.

Dabei gewann die Landschaft, die lange Zeit gegenüber mythologischen oder christlichen Themen als minderwertiges Motiv gegolten hatte, immer größere Bedeutung. Wasserfälle, Grotten, felsige Küsten, aber auch die Ruinen antiker Bauten oder Ansichten des Vesuv wurden zu Bildern komponiert, in denen das Ideal Arkadiens einen neuen Ausdruck fand.

Zu sehen sind in der Ausstellung etwa 60 Gemälde schleswig-holsteinischer Künstler, von Louis Gurlitt über Christoph Wilhelm Eckersberg bis zu Hans Peter Feddersen und Friedrich Thömming. Viele von ihnen hatten in Kopenhagen studiert, dem damals wichtigsten Kunstzentrum nicht nur für Dänemark, sondern auch für den Norden Deutschlands, der teilweise zum dänischen Gesamtstaat gehörte.

Für Künstler, die in Städten wie Altona oder Kopenhagen zu Hause waren, wirkte der italienische Alltag zwangsläufig exotisch und bot sich an, als pittoreske Genreszene gestaltet zu werden. "Besonders sind norddeutsche, protestantische Künstler, deren frische Empfänglichkeit für die naive Natur des italienischen Volkslebens, für die Volkspoesie des katholischen Kultus, sich aus dem Reiz des Kontrastes gegen die Nüchternheit gewohnter, heimatlicher Anschauung erklärt, dem Zauber solcher Erscheinungen verfallen", notierte der Altonaer Kunstschriftsteller Ludwig Reinhold Walesrode 1857.

Für fast alle Künstler, die zum ersten Mal die Alpen überquerten, wurde das weiche, intensive und leuchtende Licht der südlichen Sonne zu einem enorm beeindruckenden und prägenden Erlebnis. Die Stimmungswerte von Licht, Schatten und Farben bestimmten fast alle der damals entstandenen Bilder, ganz gleich, ob es sich um Landschaften, Stadtansichten, Genreszenen oder biblische Motive handelte.

Und dieses Lichterlebnis wirkte auch dann noch nach, wenn die Künstler in den kühlen und kargen Norden zurückgekehrt waren. Maler wie Hans-Peter Feddersen oder Carl Ludwig Jessen sahen die heimischen Motive nach ihrer Rückkehr buchstäblich in anderem Licht. Einerseits entdeckten sie die nördliche Landschaft für sich als Motiv, zum anderen malten sie mit "italienischem Blick" ein norddeutsches Arkadien, das nun manchmal so ideal und heiter erschien, als läge auch Schleswig-Holstein unter der Sonne des Südens.

Jenisch-Haus, Baron-Voght-Str. 50, bis 21.11., Di-So 11-18 Uhr. Führungen durch die Ausstellung beginnen sonnabends und sonntags jeweils 15 Uhr. Der reich illustrierte Katalog von Ulrich Schulte-Wülwer kostet 39,90 Euro.