16 Stunden dauert das vierteilige Original des “Ring des Nibelungen“. Im St.-Pauli-Theater geht es entschieden kürzer und kurzweiliger.

Hamburg. "Hojotoho! Heijaho!" Marlene Jaschke als Brünnhilde ist der Brüller. Das Premieren-Publikum im St.-Pauli-Theater johlte vor Vergnügen bei Jutta Wübbes One-Woman-Oper "Auf in den Ring!" nach Richard Wagners Tetralogie "Der Ring des Nibelungen". Aus der Perspektive von Marlenes gesundem Menschenverstand kommentiert sie das schicksalsschwer sich hinziehende Musikdrama über die Macht- und Liebeskämpfe von Wotans Götter- und Heldensippe, verhackstückt es kurz und knapp zu lustigem Opernkabarett - und spricht manchem Zuschauer damit wohl aus der Seele.

Die praktisch denkende Bürokraft im Schraubengroßhandel lässt keinen Zweifel darüber: In ihren Augen war beim "Kopfmenschen Wagner" eine Schraube locker. Fix und fertig war Opernmuffel Marlene nach den gut 16 Stunden des echten "Rings". Freundin Hannelore, Hardcore-Wagnerianerin vom ersten Stock, hatte sie mitgeschleppt. Nun weiht die Jaschke das Publikum in die verzwickte "Ring"-Handlung ein, paddelt die Rheintöchter vor, hüpft mit zuckenden Armen den Feuergott Loge. Sie markiert den einäugigen Wotan, linke Hand über dem linken Auge ("Eine große Nummer, der überall herumpütschert und elf Kinder hat"), und dessen Ehefrau Fricka ("Eine Zicke mit Dutt").

Aus den verzwickten Götter-Verhältnissen macht sie einen göttlichen Spaß, nicht ohne erheiternde Parallelen zur eigenen irdischen Familie, Schwester Waltraud und Schwager Werner, abzuleiten.

Mit nüchternem Mutterwitz berichtet sie von der Vorstellung, ihrem kullernden Pausenbrot und dem kugelrunden Siegfried in grünen Strumpfhosen mit Minipli-Frisur. Einen Helden erträumt sie sich anders, sucht sich ihren Siegfried im Saal - und angelt einen Thomas. "Falsch! Siegfried", jubiliert Walküre Marlene aufgekratzt in zappeliger Liebeslust. "Mir schwirren die Sinne." Sie führt den reifen Knaben zum Samtcocktailsessel für das Wachküssen auf dem Walkürenfelsen und schmachtet mit ihm im Duett die Film-Schnulze: "True Love". Und die Zuschauer kugeln sich vor Lachen.

"Kein Lied von Herrn Wagner ist zum Mitsingen", beklagt Marlene, weiß resolut Abhilfe und trällert im Chor mit dem Publikum: "Die Geige, die singt". Damit auch der einsame spröde Klavierspieler Volker Griepenstroh am Flügel auch einmal erlebt, wie denn so ein großes Orchester klingt.

Genau genommen macht Jutta Wübbe, mit allen Wassern der Clownskunst gewaschen, aus Wagners Weltepos eine tragikomische Parabel über die Unbelehrbarkeit der Menschheit und den Kreislauf von Zerstörung und Neubeginn allen Lebens. Sekundiert von ihrem getreuen Tastenrecken, schmettert sie zum Flammen-Finale tapfer Brünnhildes Schlussgesang aus der "Götterdämmerung". Ovationen wie für einen Bayreuth-Star sind der Lohn. Kein Zweifel: Die Hamburger lieben "ihre Marlene". Mehr kann sich Jutta Wübbe bei ihrem Triumph mit und über Herrn Wagner nicht wünschen. Auf in den Ring!

Auf in den Ring! 20.-22.4., 27.-29.5., 20.00, St.-Pauli-Theater, Karten unter Telefon 47 11 06 66 oder www.st-pauli-theater.de